Seite 78 Internationale Sammler-Zeitung. Nr. 10 Tinte geschrieben, wie sie mir in Lutherautographen häufig auffiel, überhaupt war das Ensemble so täuschend, dass selbst gewiegte Kenner unter den Archivvorständen und Bibliotheksdirektoren für die Echtheit der Stücke eintraten. Und dennoch stellten sie sich schliesslich als (allerdings sehr geschickte) Fälschungen eines gewissen Kyrieleis heraus. Noch eine Abart von Fälschungen darf ich nicht unerwähnt lassen, die der Herkunft. Ein Buch, das aus der Bibliothek Fran z'I. von Frankreich, vorf Gro- lier, Maioli, von Marie Antoinette oder aus der Sammlung einer anderen weltberühmten Persönlichkeit herrührt, ist natürlich viel wertvoller und kostbarer als ein Exemplar des gleichen Werkes von unbekannter Provenienz. Nur einen Fall will ich hier anführen, da ich bei Behandlung der Bucheinbände ohnedies noch einmal auf die Sache zurückkommen muss. ln der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erschien von dem gelehrten Mailänder Antiquar Luigi Arrigoni eine interessante Abhandlung über etwa 25, meist aus dem 13. und 14. Jahrhundert stammende Handschriften aus der Bibliothek Petrarcas. Alle diese Codices ent hielten ein etwa aus dem Ende des 16. Jahrhunderts stammendes Exlibris, das besagte, dass das Buch aus der Bibliothek des grossen Italieners stamme. Nach ein gehender Untersuchung stellte es sich jedoch heraus, dass die Handschriften selbst zwar alle tadellos echt waren, dass dagegen die Herkunft aus dem Besitze Petrarcas nicht nachzuweisen war. Fälschungen gedruckter Bücher sind schon ihres Umfangs halber glücklicherweise viel seltener. Doch sind Werkelten kleineren Umfangs, wie der berühmte spanische Kolumbusbrief, sowie die lateinische Aus gabe desselben Büchleins vom Jahre 1493 und andere kleine Kostbarkeiten geschickt gefälscht worden. Nicht unterlassen will ich, auf eine andere Täu schung aufmerksam zu machen. Es sind mir Bücher vorgekommen, an denen ganze Bogen gefehlt haben. Später traf ich dieselben Exemplare, angeblich komplett. Nach genauer Untersuchung stellte sich heraus, dass die einst gefehlten Bogen zwar die Kustoden der De fekte trugen, aber aus ganz anderen Büchern, allerdings mit denselben oder ganz ähnlichen Lettern hergestellt, stammten. Auch beim Ankauf von Holzschnittbüchern muss man die Augen hübsch offen halten. Schlechte Abdrücke der Holzschnitte wurden nicht selten mit der Feder nachgezogen und so aufgefrischt, dass sie das Aussehen der ersten Abdrücke bekommen sollten. Zum Schluss sei mir gestattet, noch einiges über Kunst-Bucheinbände zu sagen. Dieselben scheinen für Fälscher von jeher einen ganz besonderen Reiz ausgeübt zu haben, denn die Fälschungen oder „Umarbeitungen“ sind überaus zahl reich. Die herrlichen Arbeiten von fast anderthalbtausend Jahren in Metall, Elfenbein, Leder, Stickerei usw., die wir in öffentlichen Bibliotheken und Museen so sehr bewundern, boten den Nachahmern willkommene Muster. Bei ganz frühen Einbänden fand ich häufig echte Stücke, z. B. ein Stück Elfenbein als Mittelstück, während die Zutaten alle oder zum Teile gefälscht waren, oder umgekehrt das Mittelstück aus Metall oder Elfenbein stammte von ca. 1840, während die Zutaten echt waren. Selbst in Museen und Bibliotheken sind durchaus tadel lose Stücke aus so früher Zeit recht selten. Die neuzeitlichen Nachahmungen und Fälschungen von Einbänden dürften in den Siebzigerjahren des XIX. Jahrhunderts mit besonderer Wucht eingesetzt haben. Der grosse Pariser Sammler M. A. Firmin-Didot Hess in dieser Zeit durch seinen Buchbinder Hague eine Menge Werke nach alten Mustern binden, die heute noch zuweilen auf den Markt kommen. Obschon es sich hier nicht um eigentliche Fälschungen handelt, wollte ich trotzdem davon sprechen, um beim Vor kommen die Herren Kollegen zur Vorsicht zu mahnen. Das Hauptfälschernest zu Beginn der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts befand sich in Bologna. Etwa 1883, also zu einer Zeit, zu der man in Deutsch land noch wenig von gefälschten Bucheinbänden wusste, brachte ein Bologneser Antiquar eine Auswahl hervor ragender Stücke zum Verkauf nach München. Sie stamm ten meist aus illustrem Besitze: Maioli, Grober, Cane- vari, Francois 1., Frangois II., Henri II., Diane de Poitiers usw. usw. Selbstverständlich hat schon die grosse Menge misstrauisch gemacht und ich habe deshalb nur ein einziges Stück, und zwar des Inhalts wegen erwor ben, nämlich einen Maioli, der das berühmte Vene zianer Holzschnittbuch, den Poliphil, enthielt. Im Gegen satz zu Hague, der den ganzen Einband mit neuem Material herstcllte, benützten die Bologneser nur echte, alte Einbände, die von ihnen alsdann mit Wappen, Devisen, Initialen usw. versehen wurden. Es liegt mir zufällig solch ein Stück vor, das mit dem französischen Wappen, den fleurs de lys, den Initialen HH und DD, sowie mit den Croissants der Diane de Poitiers ver sehen wurde. Für das geübte Auge ist es nicht allzu schwer, die Zutaten, trotz des Raffinements, mit dem sie angebracht wurden, zu erkennen. Für solche Herren jedoch, die sich nur wenig mit dieser Materie beschäf tigen, ist die Gefahr der Täuschung eine ausserordent lich grosse. Ein distinguierter Pariser Sammler zeigte mir vor etwa 20 Jahren triumphierend seine neueste Erwerbung, einen gemalten Sienesischen Einband. Auf meine Be merkung. daß ich in der letzten Zeit öfter solche an getroffen hätte, die ich jedoch sämtlich für Imitation hielte, antwortete mir mein Klient, daß diese alle falsch sein könnten, der seinige sei aber sicher echt. Nach einigen Monaten mußte er jedoch zugeben, daß auch er bitter getäuscht worden ist. Vor dem Kriege fand ich, besonders in Paris, nicht selten Maroquinbände und Lederkästchen mit dem Wappen der Marie Antoinette. Diesen muß man gleichfalls sehr skeptisch gegenüberstehen, da auch hier die Wappen später angebracht wurden. Sehr wünschenswert wäre es, wenn andere Kollegen ihr diesbezügliches Wissen und ihre Erfahrungen in unserer Zeitschrift bekanntgeben würden, damit wir möglichst viel von den Schlichen und Praktiken der Zunft der Fälscher erfahren und uns dadurch vor Schaden möglichst bewahren können. ÜKoovers SKriegsßidfiotfiek. Wenn irgendjemand eine Geschichte des Welt krieges schreiben will* so muss er auch eine zeitlang die Sammlung von Büchern, Flugschriften und Doku menten benützen, die Herbert H o o v e r der Leland Stanford-Universität, an der er 1895 graduiert wurde, zum Geschenk gemacht hat. Ueber diese Sammlung schreibt man uns aus New York: Es handelt sich um eine der grössten Biblio theken der Welt über den grossen Krieg, die sich dem königlich britischen Kriegsmuseum in London und der Leblanc-Sammlung in Paris würdig an die Seite stellen kann. Sie enthält 70.000 bis 80.000 Einzelstücke aus