Seite 82 Internationale Sammler-Zeitung Nr. 11 der schönsten und größten Herrschaften zu Stiftungen für kirchliche und weltliche Zwecke — Seminarien und Erziehungsanstalten — bestimmt hatte, das fürstliche Vermächtnis der Gemäldesammlung an die National galerie in Budapest, endlich die wiederholten Hinweise und Willensäußerungen des Testators, daß seine [unter lassenen Kunstsammlungen öffentlichen Zwecken dienen und öffentlicher Besichtigung zugänglich sein sollten, gaben begreiflicherweise dem Staate das Recht und die Macht, seinen Einfluß zur Geltung zu bringen. Inwieweit dies der ungarische Staat so mächtigen Familien wie Palffy, Andrässy, Esterhazy, Szechtinyi, Odescalchi, gegenüber getan hätte, nachdem er eine so gewaltige Vermehrung seiner Nationalgalerie erhalten hatte, sei dahingestellt; der öecho-slovakische Staat als Nachfolger des ungarischen hatte keinen Grund Milde walten zu lassen, er bestand vielmehr auf seinem Schein, sequestrierte kurzer Hand alle Kunstgegenstände und sperrte alles zu. Der Anblick, der dem Besucher wurde, war drollig genug. Ueberall Schnüre mit großen roten Amtssiegeln, so daß man vor lauter Siegellack die Kunst gegenstände nicht sah. Dieser gemütliche Zustand währte bereits fünf Jahre, die csl. Regierung hatte ihre Sachverständigen gesendet, um jene Objekte zu bezeichnen, die sie für öffentliche Zwecke beanspruchte, denn nur unter dieser Bedingung war sie geneigt, den restlichen Teil der Kunstgegenstände den gesetzlichen Erben herauszugeben und auf die Erfüllung der letztwilligen Bestimmung des Grafen, daß die Kunstgegenständc an Ort und Stelle zu verbleiben hätten, Verzicht zu leisten. In Preßburg war nämlich der lebhafte Wunsch entstanden, das dortige kleine Museum zu vergrößern und ein eigenes Jänos Palffysches anzugliedern. Wie weit dieser Plan gediehen, was von den seitens der Prager Sachverständigen aus erwählten Objekten in der engeren Heimat, der Slovakei, verblieben ist, wissen wir nicht. Wir wissen auch noch nicht, was an den Meldungen von der bevorstehenden Versteigerung im Kurorte Pistyan wahr ist, was dort versteigert wird, wir wissen nicht, wie weit der letzte Wunsch des Grafen Johann Palffy respektiert worden ist, oder mißachtet wurde. Die Moral dieser kleinen Geschichte? Mensch, mache ja kein Testament! weder ein holo- noch ein allographes und wenn es denn unbedingt sein muß, so mit Hilfe eines Rechtsfreundes, der die gesetzlichen Bestimmungen des allg. bürgerl. Gesetzbuches im kleinen Finger hat, auf daß es dir nicht so ergehe, wie dem bedauernswerten Magnaten Johann Palffy, von dem die Fama erzählt, er sei boshafter Natur gewesen und es sei immerhin denkbar, daß er statt eines „letzten Willens" mit Absicht — keinen gehabt hat. Austriaca und c Uiennensiü. Das francisceische Wien hat uns als Dokumente seiner zierlichen und lichten Schönheit eine Reihe von Ansichten hinterlassen, die zu den schönsten gehören, das die graphische Kunst auf dem Gebiete des Stadt- und Straßenbildes hervorgebracht hat. Etwa sechzig dieser von Schütz, Ziegler und Janschain den Jahren 1779 bis 1798 gestochenen und aquarellier ten Blätter kommen bei Gilhofer & Ranschburg in Wien, 1. Bognergasse 2, am 30. und 31. Mai unter den Hammer. Den Höhepunkt dieser wunder vollen Sammlung bildet ein einzigartiges Stück, ein S c h ü t z - B a n d, der nicht weniger als 36 Blätter vereinigt, Ansichten des Platzes und der Kirche von St. Peter, das Glacis gegen Alstergasse, des Schänzels, des Praters, des Schlosses Schönbrunn, des Lusthauses im Prater, des Adeligen Frauenklosters der Salesi- anerinnen am Rennweg, der Hofbibliothek etc. etc., alle im ersten Zustand. Seit Jahrzehnten ist kein solcher Band auf dem Kunstmarkte gewesen. Schätzungs preis ist 80 Millionen Kronen. Daran schliesst sich eine Serie von Wiener Ansichten aus dem Verlage von Mo 11 o und A rta ri a, ferner eine Reihe von zwölf äusserst seltenen farbigen Kupferstichen von Löschen kohl, die ebenfalls seit vielen Jahren nicht vorge kommen sind, alle in herrlichem Kolorit. Das Haupt stück der Serie ist ein Originalaquarell dieses Meisters: „Ihre königl. Hoheit die Erzh. Elisabeth mit der Frau Gräfin von Changlos in Ihrem Kabinete". Unter den Aquarellen und Hand Zeichnungen wären besonders zwei Porträtaquarelle von Josef T eltscher hervorzuheben, Porträts eines Grafen und einer Gräfin Trautmannsdorff. Danhauser ist durch eine Studie zu dem bekannten Gemälde im National museum „Die Testamentseröffnung“, Defregger durch ein Porträt des 1879 verstorbenen Malers Ed Kurzbauer gut vertreten. Von J. C. S c h o e 11 e r sind sechs Theaterdarstellungen, darunter Jenny Lind als Norma, von Pettenkofen ein Skizzenbuch mit Kostürnstudien, Akten, Landschaften etc. vorhanden. Die kürzlich in einem Neudruck herausgegebenen Wiener Kaufrufe von Brand scheinen in einem vollständigen Prachtexemplar der Originalausgabe vom Jahre 1775 auf. (Schätzungswert 10 Millionen.) Eine stattliche Sammlung repräsentieren die Ansichten aus Deutschösterreich. Wir finden da prächtige, zum Teil auch äusserst seltene Blätter von Aggsbach bei Furth, Gaming, Gastein, Gmunden, Golling, Graz, Hainfeld, Hallein, Heiligenkreuz, Hellbrunn, Hohenberg, Ischl, Judenburg, Kammer, Krimml, Kufstein, Lambach, Landeck, Lend, Leoben, St. Leonhard am Forst, Lilien feld, Linz, Lueg, Mariazell, Melk, Neuhaus, Ottenschlag, Pitten, Puchberg, Rapottenstein, Saalfelden, Salzburg, Scheibbs, Schönau, Schottwien, Starhemberg, Stixenstein, Türnitz, Untersberg, Weissenherg bei Kirchberg an der Pielach, Werfen, St. Wolfgang und Schloß Loretto am Wörthersee. Ueberaus reichhaltig ist schließlich die Sammlung auch an historischen Blättern (die Züchtlinge in Wien, die erste Ausfahrt des Kaisers Ferdinand nach der Rückkehr aus Innsbruck im Jahre 1848 u. a.), so wie an seltenen Büchern über Wien und Oester reich, darunter Merian, Topographia Provinciarum Austriacarum, erste Ausgabe, Valvasor, Topo- graphiae ducatus Carnioliae modernae, Schimmer, Das alte Wien, Dr. Ignaz Schwarz, Wiener Straßen bilder des Rokoko, Leischi ng, Der Wiener Kon greß, Kisch, Die alten Straßen und Plätze Wiens, Fuhrmann, Alt und Neues Wien, Wolfgang Lazius, Historische Beschreibung der weltberühmten kaiserlichen Hauptstadt Wien in Oesterreich und viele andere. Viennensia- und Austriaca-Sammler werden bei dieser Versteigerung auf ihre Rechnung kommen.