Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde, Herausgeber: Norbert Ehrlich. 16, Jahrgang. 15. Juli 1924. Nr. 14. asdwitaB&nMfrMuruM Die Stagnation. Die „Vereinigung der Antiquitätenhändler Wiens“ oder, wie sie sich fortan richtiger nennen will, die „Vereinigung der Antiquitäten- und Kunsthändler Wiens“ hat sich in den letzten Tagen mit der Stagnation be faßt, die furchtbar schwer auf Handel und Industrie lastet, ln einer Versammlung, die sich im Hinblick auf die Wichtigkeit der Tagesordnung außerordentlichen Besuches erfreute, wurden nur allzu berechtigte Klagen über die überaus drückenden Abgaben laut, die den Antiquitäten- und Kunsthandel unterbinden. Es fiel manche gute Idee, die uns in der Tat geeignet erscheint, eineEntspannungderLage herbeizuführen. Dazu zählen wir in erster Linie den von den meisten Rednern geforderten Abbau der kommunalen Abgaben und der staatlichen Steuern, namentl. aber die Abschaffung der durch nichts begründeten hohen Vorauszahlungen an die Steuerbe hörden. Sehr beherzigenswert erscheint uns auch die Anregung, Schritte zu unternehmen, um die Ein- und Ausfuhrgebühren aufzuheben. Kluge Worte hörte man in der Versammlung noch über die Notwendigkeit einer zweckdienlichen Propaganda. Propaganda! Mit diesem Worte haben die Redner eine Achillesferse der Wiener Antiquitätenhändler be rührt. Denn in keinem einzigen kaufmännischen Berufe herrscht eine solche unbegreifliche Propaganda-Scheu wie in diesem. Die Ware müsse für sich selbst sprechen, sagen die Antiquitätenhändler. Gewiß, das ist auch un sere Meinung, da auch wir dafür halten, daß die beste Reklame, um ein Wort Bürgers zu gebrauchen, nicht imstande ist, aus Häckerling Gold zu machen. Aber wir denken, um im Bilde zu bleiben, es wäre ersprieß lich, zu sagen: „Sehet her, hier bei mir findet Ihr das Gold.“ Wir kennen kaum eine Antiquitätenhandlung in Wien, wo sich nicht etwas fände, das den oder jenen Sammler locken würde, aber wer weiß davon? Mit einer an Fatalismus grenzenden Geduld wartet der Antiquitäten händler auf den Zufall, der ihm den Interessenten zu führen soll. Er vergißt, daß das Warten ihn viel Geld kostet und daß es doch schließlich nicht so ausgemacht ist, daß der richtige Mann überhaupt kommt. Allenfalls läßt sich der Antiquitätenhändler noch herbei, seine Adresse in seinem Fachblatt oder in einer Tageszeitung einzuschalten, ein spezielles Objekt oder eine Gruppe von Gegenständen anzubieten, widerstrebt ihm. ln dieser Zeit der Geldknappheit sind nicht gar viele aus, in Antiquitätenläden nach Kostbarkeiten zu spähen, da muß schon der Antiquitätenhändler dem Sammler halben Weges entgegenkommen. Da muß er ihm sagen, bei mir findest Du jetzt eine herrliche Vase, einen vortreff lichen Alt, ein Mohn-Glas etc. Wenn einmal der Wiener Antiquitätenhändler soweit ist, den Nutzen einer ent sprechenden Reklame, die ja mit Marktschreierei nichts gemeinsam hat, zu erkennen, wird er gewiß weniger Ursache haben, in das allgemeine Klagelied über die Ungunst der Zeit einzustimmen. Sind wir soweit mit den in der Versammlung aus gesprochenen Vorschlägen und Anregungen einverstanden, so hat uns höchlich befremdet, daß den breitesten Raum in der Diskussion die Errichtung eines eigenen Auktions institutes einnahm. Wir wollen es dahingestellt sein lassen, ob der gegenwärtige Zeitpunkt geeignet ist, diesen alten Wunsch zu verlebendigen. Wir fragen nur: Cui prodest? Wem soll es nützen? Wie viele Gründe es auch für die herrschende Stagnation gibt, der Mangel an Auktionsinstituten ist nicht darunter. Die Zahl der Auktionsanstalten in Wien ist so groß, daß man vielleicht sagen könnte, weniger wäre mehr. Und was das Ver hältnis der Antiquitätenhändler zu diesen Instituten- be trifft, so wissen wir, daß es ein sehr gutes ist. Die Antiquitätenhändler finden immer offene Türen bei ihnen. Speziell im Dorotheum, das heute ganz auf kaufmännische Grundlagen gestellt ist, begegnen die Antiquitätenhändler, wie wir oft und oft aus ihrem Munde hörten, stets dem weitestgehenden Entgegenkommen. Wozu also Milliarden — weniger tut es wirklich nicht —• in ein neues Un ternehmen stecken, das, wenn es schon da wäre, den Mitgliedern der Vereinigung der Antiquitäten- und Kunst händler keine günstigeren Bedingungen zu bieten ver möchte, als die schon bestehenden und besonders das Dorotheum. Wir lassen nachstehend den uns zugekommenen Bericht über die Versammlung der Antiquitäten- und Kunsthändler folgen: Die Versammlung der Antiquitätenhändler. Der Präsident der Vereinigung, Herr S. Glückselig, eröffnete die Versammlung mit einer Ansprache, in der er auf die von den Antiquitätenhändlern schwer empfundene Stagnation hinwies. Er habe darum gerne der Anregung des Mitgliedes Herrn M a r t o n Rechnung getragen, der eine Aussprache über die Situation wünsche. Herr Marton, der darauf das Wort ergriff, begründete in längerer Rede seinen Wunsch nach Einberufung der Ver sammlung. Seine Ausführungen, die wiederholt durch Kund gebungen der Zustimmung unterbrochen wurden, gipfelten in folgenden Vorschlägen: 1. Abschaffung der Ein- und