Infemaffonale $ammfer-2ßifunß Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde, Herausgeber: Norbert Ehrlich. 16. Jahrgang. 1. Dezember 1924. Nr. 23. ‘Manemanns 3Criigesammfung. Aus der Autobiographie eines Vergessenen. Der königliche Kammer-Musikus Moritz Hane- m a n n, der vor fünf Dezennien im hohen Alter zu Grabe ging, hatte zwei große Passionen, die seinen Lebensinhalt bildeten: die Musik und das Sammeln von alten Steinkrügen. Er hat sich auf beiden Gebieten einen respektablen Platz erworben. Was der Mann, der aus den bescheidensten Anfängen sich durch Talent und Fleiß bis zu der Stellung eines königlichen Kammer-Musikus und beliebten Lehrers emporgearbeitet hatte, für das Musikleben Berlins bedeutete, dies des näheren zu erörtern, gehört nicht in den Rahmen dieser Reminiszenz, die nur dem Gedächtnis des leiden schaftlichen Sammlers gewidmet ist. Hanemann hatte niemals den Ehrgeiz, seinen Namen durch literarische Schöpfungen der Mit- und Nachwelt aufzudrängen. Wenn er doch ein Buch unter dem Titel „Leben und Schriften des königlichen Kammer-Musikus Moritz Hanemann“ hinteriieß, so kann man aus dem von Bescheidenheit erfüllten Vorwort, in welchem es heißt: „Wollt keineswegs ein Büchlein schreiben, mir nur die Langweil vertreiben", ersehen, daß er als Leser sich nur eine ganz kleine Anzahl seiner persönlichen Freunde wünschte, denen er das Buch kurz vor seinem Tode zum Geschenke machte. Ja, er bittet geradezu Fremde, denen es zufällig in die Hände käme, es ungelesen zu lassen, ein Wunsch, den wohl wenige Autoren gehegt oder geäußert haben. Das Buch, das kaum noch in einigen Exemplaren existiert und daher sicherlich einen Seltenheitswert besitzt, dürfte aber jeden, der die schlichte, anspruchslose, aber auch durch Humor gewürzte Darstellung eines arbeitsreichen Lebens zu würdigen weiß, derart fesseln, daß er diesem Wunsche nicht Rechnung tragen wird. Ergötzlich ist es zu erfahren, wie in Hanemanns Seele die Sammlerneigung erwachte, die sich allmählich zu einer gewaltigen Leidenschaft entwickelte. Der Musiker Lachmann erhielt gelegentlich eines Be suches in seiner Vaterstadt Löwenberg in Schlesien von einem Feunde ein Geschenk: einen alten bunt gemalten Steinkrug. Da man nach einem sehr alten und sehr weisen Spruch, bei einem Krug hauptsächlich auf das sehen soll, was er enthält, so fand Hanemann darin die freundschaftliche, herzliche Gesinnung des Jugendfreundes. Einen anderen Wert maß er dem Krug allerdings zunächst nicht bei. Vor hundert Jahren wurde derartigem unmodernem Zeug in einem besseren Haus halt kaum ein anderer Platz als bei altem Gerümpel eingeräumt. Hanemann also verpackte sorgfältig und pietätvoll den alten Topf, als Erinnerung an die Heimat und stellte ihn auf sein Bücherregal. So ganz verein samt nahm sich der Krug dort nicht sonderlich gut aus. Als Hanemann bei einem Trödler zufällig ein ähnliches Stück erblickte, kaufte er es als Pendant an und da fand er, daß sich die Geschichte jetzt viel hübscher repräsentiere. Von da an zu der Erwägung, daß es gar nicht so übel wäre, wenn auf dem Bücherregale das oberste Brett stilvoll vollständig mit alten Krügen be setzt wäre, war es nicht weit und nun dauerte es gar nicht lange, so folgte dem ersten Brett ein zweites und drittes. Und eines schönen Tages war das erste Ge stell anstatt mit Büchern mit Steinkrügen gefüllt. Der Sammler Hanemann hatte von da an in den Stunden, die ihm sein Beruf als Musiker und Lehrer frei ließen,* nur den Gedanken, seine Sammlung von alten Stein krügen zu vermehren und zu vervollständigen. Die Bücher wurden immer weiter in entlegene Räume, in verschlossene Vorzimmerschränke gedrängt; die Steinkrüge traten ihre Herrschaft in den Zimmern an, okkupierten dort jedes nur irgendwie vor den not wendigsten Einrichtungsstücken einer Wohnung schütz bare Plätzchen. Keine Mühe war dem von echtem Sammlereifer erfaßten Manne zu groß, kein Preis zu hoch, wenn sich ihm die Aussicht bot, ein wertvolles Stück zu erwerben. Ja, man kann sagen, daß, wenn es nicht anders ging, selbst die Rücksicht auf die Ge sundheit vor dieser Leidenschaft zurücktreten mußte. Der Fall ereignete sich, daß Hanemann eine Badereise, die er auf ärtztlichen Rat unternehmen sollte und für die er schon die Koffer gepackt hatte, im letzten Momente aufgab, weil er das Geld zum Ankäufe eines Kruges von einer in seiner Sammlung noch nicht ver tretenen Form verwendete. Hanemann dachte wohl, daß die an den Karlsbader-Quellen gefüllten Becher nicht mit seinen leeren Krügen wetteifern können. Hanemann, der lange Zeit es geduldig und lächelnd ertrug, wenn ihn seine Freunde, die übrigens ihm so zugetan waren, daß sie ihm von ihren Reisen manches Stück zur Bereicherung seiner Sammlung mit brachten, mit seiner Sammlung „alter Töpfe“ neckten, erlebte bald die frohe Genugtuung, daß der Spott, der