Nr. 6 Internationale Sammler-Zeitung Seite 43 großen Lehnstuhl neben sich gestellt hatte, in dem zwei Violinen lagen. Bei einer Pause wechselte er die ge spielte Geige mit einer anderen und wieder mit einer dritten und nun fragte er mich über den Ton der In strumente und was ich von den Geigen halte. Ich konnte ihm die Zusicherung geben, daß seine Stainergeige zweifellos das wertvollste Instrument seines gegenwärtigen Besitzes sei, daß auch die Testore-Violine sehr edel gesungen habe. Und die Amati? warf er fragend ein, — ich hielt mit meinem Zweifel bezüglich der Echtheit nicht zurück, obgleich ich schonend meine unmaßgeb liche Ansicht vorschützte, wußte ich doch aus Erfahrung, wie schmerzlich es den Sammler berührt, wenn man nichtgläubig annimmt, was er für unbedingt sicher hält. De gustibus non est disputandum äußerte, mit den Augen zwinkernd und sein Glas leerend der behag liche Pfarrer. Ich weiß eine Nikolaus Amati aus bester Zeit, fügteich hinzu, und versprach dem Kreisrichter, wenn möglich das Instrument ihm zur Ansicht zu schicken; ein Wort ein Mann, rief mir der Kreisrichter lebhaft die Hand reichend, entgegen. So blieben wir lange in der Sommernacht sitzen und, wie ich mich von den Musik freunden empfahl, trug ich das Bild davon, wie vor fünfzig, sechzig Jahren auf stillen Dörfern und in kleinen Provinzialstädten in deutschen Landen musiziert worden und wieder Liebe zur Geige und dem Interesse für ihren Bau und ihre Meister so vielfache Opferaltäre errichtet wurden, — der ideale Gedankenaustausch unter der sich verstehenden Gemeinde nicht aufhörte, — weit, weit entfernt von allen Dollar-Gesprächen der Jetztzeit. c T)as gepfändete QoetfiefBifd. Friedrich Schnack erzählt in der „Vossi- schen Zeitung“ folgende unglaublich klin gende Geschichte: Anfangs des neunzehnten Jahrhunderts erwarb der Frankfurter Rat Senator Friedrich Schlosser, Goethes Freund und Schwiegerneffe, von dem Goethe in „Dichtung und Wahrheit" berichtet, das am Neckar unweit Heidel berg herrlich gelegene Stift Neuburg. Schlosser, ein Freund der Dichtung und Mäzen der Künstler, machte aus dem Stift Neuburg einen Musensitz, auf dem die frühromantischen Geister, Dichter und Maler, wie die Gebrüder Schlegel, Clemens Brentano, Tieck, die Grafen Stolberg, die Maler Eduard v. Steinle, Veit und andere Nazarener weilten und verkehrten. Auch Marianne v. Wiilemer, Goethes Suleika, eine Freundin der Frau Rat Schlosser, war häufig dort zu Gast. Das Stift wurde später an eine Familie v. Bernus vererbt und kam so in den Besitz des hbute dort le benden Dichters Alexander von Bernus, der seine Lebensaufgabe großenteils darin sieht, die wertvollen Goethe-Erinnerungen zu hüten und ein Verwalter und Bewahrer dieses seltenen Kulturgutes zu sein. Bernus hatte in den Jahren der Entwertung außerordentlich zjß kämpfen, um diesen einzigartigen Schatz, der weit berühmt ist, zu betreuen und die Gebäude, die schwer gelitten hatten, zu unterhalten. Kein einziges der dort aufgehängten Gemälde ging ins Ausland verloren, ob wohl verlockende Angebote gemacht wurden. Nun hat die Steuerbehörde einen Eingriff in diese Sammlung getan. Bernus veröffentlichte in einer Heidelberger Zeitung daraufhin folgenden Aufruf: „An alle Freunde deutschen Kulturgutes! Das von Ger hard von Kügelgen 1811, im Aufträge Goethes, für meinen Großonkel Friedrich Schlosser gemalte welt berühmte Goethe-Bild wurde heute von der lAkiWi in 'i i u i' i 'in i——maaa ANTIKE TAPISSERIEN GOBELINS VERDUREN MUSEALE TEPPICHE Öffentliche Bibliothek Frankl geöffnet von 9 bis 6 Uhr. Wien I., Kohlmarkt 4 Steuerbehörde der Republik als Pfand versiegelt, weil ich nicht in der Lage bin, eine mir auferlegte Brot abgabe, die nachweislich in keinem Verhältnis zu meinen Einkünften steht, zu zahlen. Da ich bei der heutigen Steuerbelastung nicht imstande bin, die bisher aus meinem sehr bescheidenen Arbeitseinkommen der Not der Zeit zum Trotz unterhaltenen wertvollen Sammlun gen im Stift Neuburg vor dem Zugriff der Steuer behörde zu schützen, empfehle ich allen Freunden deut schen Kulturgutes, die Sammlungen zu besichtigen, bevor sie an die Kriegsverdiener aller Länder auf dem Wege der öffentlichen Versteigerung verschleudert sind. Alexander von Bernus." — Der Gedanke, daß sich ein deutsches Finanzamt an dieser ehrwürdigen Reliquie vergreift, ist so absurd und bizarr, daß er kaum glaub haft erscheint. Soeben ist in Kopenhagen vor aller Welt eine große Goethe-Feier veranstaltet worden. Die ba dische Steuerbehörde weiß davon nichts: für sie ist ein weltberühmtes Goethe-Bild gleichwertig einer Fuhre Holz oder einem Kalb im Stall, das im Namen des Gesetzes gepfändet werden kann. Da Bernus die Brot abgabe nicht bezahlen kann, wird also das Finanzamt aus dieser bedeutenden Kulturstätte das Goethe-Bildnis wegschaffen und zu Geld machen. Wenn das Gesetz schon angewandt werden muß, weshalb greift es nicht nach Möbel-, Grund-'oder Baumbesitz, weshalb gerade nach so hohem Kulturwert, nach einem Goethe-Bild, das eine unersetzliche Kostbarkeit und das größte Heilig tum der Sammlungen auf Stift Neuburg ist?! Das badische Kultusministerium muß, wenn es das Vertrauen der gebildeten Stände erhalten will, hier um gehend eingreifen, bevor Schaden verübt wird.