Internationale ^ammler-^afunfl Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde, Herausgeber: Norbert Ehrlich. 17. Jahrgang. Wien, 1. Juni 1925. Nr. 11. ( Die Bißtiotßek Gottfried £issfer. Von Dr. Rudolf Payer-Thurn, (Wien). Die Bibliothek Gottfried Eissler, die jetzt zur Versteigerung kommt, war nicht, wie die so mancher bekannter Namen, das Lebenswerk eines Mannes, der sich in ausschliesslicher Versenkung und Beschränkung dieses Gebiet, etwa im Zusammenhänge mit produktiver Gelehrten-Tätigkeit, gewählt hat, sondern sie ist viel mehr ein Nebenergebnis einer ungemein weitausgrei fenden, hauptsächlich auf bildende Kunst und Kunst gewerbe eingestellten Sammeltätigkeit. Gottfried Eissler, geboren 1862, gestorben am 15. Dezember 1924, war nicht Literarhistoriker; in seinen akademischen Studienjahren hat er sich nahezu aus schließlich mit Kunstgeschichte beschäftigt. Umsomehr ist es zu bewundern, wie es ihm gelungen ist, mit einem besseren Spürsinn gerade das am schwersten Zugäng liche aufzustöbern und einzelnen enger begrenzten Ge bieten eine Abrundung zu geben, wie sie sonst nur von Sammlern erreicht wird, die ihre ganze Forscher- und Sammlertätigkeit auf dieses spezielle Gebiet einschrän ken. Dazu kommt noch, daß Eissler grundsätzlich nur Stücke in dem denkbar besten Erhaltungszustände er worben und in vielen Fällen gewartet hat, bis ihm Glück und Verständnis ein Exemplar zugeführt hat, das seinen Anforderungen in dieser Richtung entsprach. An der Spitze steht, wie billig, die 369 Nummern umfassende Goethe-Sammlung, die einzelne Stücke enthält, die meines Wissens in den letzten 30 Jahren überhaupt nicht zum Verkauf gelangt sind. Von den 9 Gesamtausgaben, die vorhanden sind, verdienen die erste und die zweite Auflage des Him- burgschen Nachdruckes und die ebenso seltene, für die Textkritik wichtige, 1816—1821 bei Kaulfuß und Arm- bruster in Wien erschienene Parallel-Ausgabe der Werke besonders hervorgehoben zu werden. Das römische Carneval mit den prächtigen, von G. Schütz und M. Kraus radierten und kolorierten Tafeln war schon zur Zeit seines Erscheinens so selten, daß Goethe selbst kein Exemplar besaß und als auf einer Auktion eines zum Vorschein kam, darauf bieten ließ, aber von anderer Seite Überboten wurde. Dazu tritt der erste Druck im „Journal des Luxus und der Moden“ und die Ankündigung des Verlegers Bertuch. Die juridischen Dissertationen Johann Wolfgangs und Johann Kaspars Goethes zählen gleichfalls zu den größten Seltenheiten. Ein schönes Exemplar der französischen Uebersetzung des Faust mit den Lithographien von Delacroix kommt heute ungemein selten vor. Auch der „Rheinische Most“ von 1775 mit den Beiträgen von Goethe, Merck u. a. ist in einem bemerkenswerten, schönen Exemplar ver treten, dem noch zwei seltene Werke der Werther- Literatur beigebunden sind. Herders fliegende Blätter „Von deutscher Art und Kunst und Altertum“ in einem unaufgeschnittenen Exemplar mit den Originalumschlägen werden das Herz jedes Goethe-Sammlers höher schlagen machen. Daß die Jugendwerke Werther, Puppenspiel, Götz, Stella, das Faust-Fragment, Egmont, in den Erst ausgaben vorhanden sind, wird nach dem bisher Ange führten niemand wundernehmen, auch die ersten Aus gaben der vollendeten beiden Teile des „Faust“ fehlen nicht. Unter der Abteilung „Einblattdrucke Goethe’scher Werke“ begegnen uns zunächst die ungemein seltenen Karlsbader Gedichte, dann „Die Feier des 28. August dankbar zu erwidern“ mit eigenhändiger Widmung Goethes an den Mineralogen Karl Cäsar von Leonhard, die Wiederholung desselben Gedichtes unter dem Titel „Die Feier des 7. November 1825 dankbar zu erwiedern" mit Goethes handschriftlichem Zusatz „erneut den 28. August 1830. J. W. v. Goethe." ln der Abteilung „Kom positionen Goethescher Texte“ sind vor allem Beethoven und Schubert, Reichardt und Zelter" in schönen Erst ausgaben vertreten, so Schubert mit seiner ersten Lieder komposition von 1821, dem „Erlkönig". Unter den Zeitschriften mit Beiträgen Goethes steht an Seltenheiten obenan „Das Chaos". Nicht einmal eine einzelne Nummer, geschweige denn eine so um fangreiche, freilich nicht vollständige Serie ist — abge sehen von dem Exemplar, das sich Kittenberg sichern konnte, — in den letzten Jahrzehnten aufgetaucht. Das hängt mit der ganzen Art, wie diese von Goethes Schwiegertochter, unter Mithilfe von Eckermann, Soret und Parry redigierte und nur in 25 Exemplaren ge druckte Zeitschrift zusammengekommen ist. Dann aber schließt sich Johann Michael Armbrusters „Schwäbisches Museum" aus dem Jahre 1785 an, das zum ersten Male Szenen aus „Iphigenie auf Tauris, einem ungedruckten Trauerspiel von Goethe“, bringt. „Die Inschrift von Heils berg“, Josef von Hammers mißglückter Versuch einer Entzifferung, datiert: Wien, den 7ten April 1817, den Goethe mit einem Nachwort im stattlichen Folioformat bei Frommann in Jena hat drucken lassen, ist deshalb so ungemein selten, weil Goethe selbst nur ganz wenige