Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde,
Herausgeber: Norbert Ehrlich.
17. Jahrgang. Wien, 15. Dezember 1925. Nr. 24.
Bie Boerner-Versteigerungen in ßeipzig.
Aus Leipzig wird uns geschrieben:
Die in der letzten Novemberwoche abgehaltenen
großen Kupferstichauktionen bei C. G. Boerner zeigten
dasselbe Bild, wie im Frieden oder wie in den Inflations
zeiten; nach dem flotten Gang der Versteigerung hatte
man glauben können, daß es in Deutschland gar keine
wirtschaftlichen Schwierigkeiten gäbe. Die schöne Samm
lung von Kupferstichen alter Meister, die am 23. und
24. ausgeboten wurde, wurde fast restlos verkauft und
brachte so beiläufig die ausgegebenen Taxen, die auf
der Friedensbewertung beruhten. Ausgezeichnete Blätter
wurden ohne Ausnahme weit höher bezahlt. So ging
beispielsweise der Dürer-Kupferstich „Ritter, Tod und
Teufel“ in einem wundervollen Abdruck um den
Rekordpreis von 10.000 Mark nach Wien. Von den
übrigen Dürer-Blättern wurde die „Geburt Christi“ mit
4000 Mark für Frankfurt am Main gekauft und die
„Passion Jesu Christi“ mit 2400 Mark für München.
Ein sehr früher Abdruck der Kaltnadel-Radierung „Der
Schmerzensmann mit gebundenen Händen" brachte
2300 Mark (für Wien). Das Blatt des berühmten, sehr
seltenen Porträts des Jean de Weal von Anton van
Dyck wurde mit 5600 Mark für London gekauft. Ein
ungewöhnlich schönes Exemplar des „Christus vor
Pilatus" von Zoan Andrea, das im Handel in den
letzten Jahrzehnten kaum vorkam, wurde mit 1400 Mark
bezahlt. Die „Grablegung“ Andrea Mantegnas, das
Hauptblatt des Meisters in herrlichem Abdruck und
fast vollkommener Erhaltung, wurde von einem Londoner
Händler auf 6000 Mark gesteigert. Der „Tanz der
Tochter der Herodias“ von Israel van Meckenem, in
kostbarem Abdruck des ersten Zustandes, kam auf
4100 Mark, das gleiche Blatt im zweiten Zustand ging
für 4000 Mark ebenfalls nach London; sein Blatt „Das
musizierende Paar am Brunnen" erzielte 3500 Mark.
Von Lucas van Leyden brachte ein seltener Druck des
„Sündenfalls“ 1500 Mark und ein erster Abdruck von
„Der Mönch Sergius von Mohammed getötet" 1350 Mark.
Von Rembrandt-Blättern zahlte man den höchsten Preis
für den prächtigen Abdruck von „Ephraim Bonus", der
für 3750 Mark nach Berlin kam. „Jan Lutma der Aeltere"
ging in einem Abdruck des zweiten Zustandes für
3000 Mark nach Wien, die „Drei Hütten" erzielten
2700 Mark, und einen dritten Zustand des „Cornelius
Claesz Anslo" kaufte London für 2000 Mark. Ein ganz
früher Abdruck des „Heiligen Martin" von Martin
Schongauer wurde auf 4650 Alark gesteigert, und Jakob
Wechtlins Clair-obscur-Holzschnitt „Die Madonna, im
Garten sitzend, von zwei Engeln gekrönt", eine Dublette
des Britischen Museums, auf 2800 Mark.
Der internationale Handel war diesmal stärker
beteiligt, als in den Vorjahren; die im Spätherbst nicht
mehr persönlich anwesenden Amerikaner waren im
Auftrag starke Käufer. Merkwürdig war, daß für kleinere
Werte der deutsche Privatsammler sich lebhaft interes
sierte und stark kaufte, während der deutsche Handel
für eigene Rechnung sehr wenig erwerben konnte.
Die aus dem Besitze des Königs Friedrich
August von Sachsen stammende Sammlung eng
lischer und französischer Kupferstiche des 18.Jahrhunderts,
die am 25. und 26. November an die Reihe kam, litt
im Ertrag dadurch, daß die meisten Blätter früher
gerahmt und infolgedessen beschnitten waren. Aber
jedes wirklich gute Blatt brachte auch hier seinen Preis
und nur ganz wenig blieb zurück. Die anwesenden
französischen Händler konnten diesmal des schwachen
Frankens wegen die feinen schwarzen französischen
Stiche kleineren Wertes nicht -mehr kaufen, da sie so
hohe umgerechnete Frankenpreise in Paris nicht erzielen
können. Dagegen kauften die Deutschen, Schweizer
und Holländer lebhaft. Ueberraschend war die starke
Nachfrage nach schwarzen englischen Schabkunstblättern,
die sich früher in Deutschland nur sehr schwer ver
kauften. Auch diese Ware muß in England jetzt selten
geworden sein, da die Engländer hier lebhaft boten,
ja sogar die Franzosen kauften, wohl für auswärtige
Kunden, für die sie Pfundpreise bekommen. Farben
drucke jeder Art waren hoch bezahlt und sind in aller
Welt gleichmäßig begehrt.
Der Gesamtumsatz kam nahe an eine halbe
Million heran und steht so der großen Albertina-
Auktion, die C. G. Boerner im heurigen Frühjahr abhielt,
wenig nach.
Nachstehend die Preise über 500 Mark:
Kupferstiche alter Meister.
Nr. 37 Altdorfer, Fall u. Erlösung der Menschheit 580.
Nr. 43 Andrea, Christus vor Pilatus 1400.
Nr. 110 B. Beham, B. Bauernfest od. die 12 Monate 500.
Nr. 150 v. Bocholt, Der heilige Bartholomäus 500
Nr. 183 Burgkmair d. A., Auszug von Landsknechten
aus der Stadt 755.
Nr. 184 Burgkmair d. A., D. Erstürmung einer Stadt 700.
Nr. 195 C a m p a g n o 1 a, Die Schlacht 800.
Nr. 228 C r a n a c h, Der heilige Antonius von Dämonen
geplagt 640.