Seite 126 Internationale Sammler-Zeitung Nr. 16 Was aber der fremde Besucher in einem solchen, sich so bescheiden gebenden Landemuseum am aller wenigsten vermutet, das sind die exotischen Kurios a. Sah ich doch u. a. eine unendlich fein geschliffene, sehr seltene Glas-Urne mit kufischer In schrift: dieses Glas stammt aus dem Ort Nabi Jachja bei Damascus. Ueberhaupt ist die Sammlung an Glas und Porzellan nicht arm, und neben vene zianischem Glas finden wir ein echtes Limoges-Salz faß mit etlichen ornamental wirkenden Doppelpor träts aus dem Jahre 1588, ferner Porzellan von Alt wien, Altmeißen, Nymphenburg usw. Den Laien wird natürlich insbesondere all’ das interessieren, was sich auf die Person und das Erleben Andreas H o f e r’ s und seiner Zeit bezieht: in dieser Hinsicht bietet die Sammlung selbstredend hervor ragende Unica, nicht bloß an W a f f e n, sondern auch an Autographen. Sehr bedeutend ist natürlich die Waffensammlung mit vielen Beutestücken. Der prächtig derbe tirolische Humor lugt aber auch aus diesem ernsten Gedenkteil des Museums hervor, in dem man es vorzüglich verstand, Gebilde alter Volks kunst, etwa die grotesken Teufelsmasken und Puppen einzureihen, die ehemals bei den Spielen der theaterfreudigen Vorfahren zur Verwendung kamen. Wer gern das Gruseln lernt, wird im Fer dinandeum auch anderwärts auf seine Rechnung kom men, fehlt es doch keineswegs an allerlei Marter instrumenten aus der alten Landesgerichtsbar keit. Auch die Bußgürtel und Halsbänder erblicken wir fröstelnd, die sich die frumben Nonnen in den zahllosen Klöstern um den keuschen Leib pressen mußten. Aber auch hier werden wir ganz unvermutet in fernste Lande verzaubert: denn in einem Nebenraum gewahren wir ein paar Mumienreste, die ein tirolischer Forschungsreisender aus Aegypten und Nubien mitgebracht und dem heimatlichen Kunst institut gestiftet hat. Man sollte es keinesfalls unterlassen, der Ge mäldegalerie im zweiten Stockwerk einen Be such abzustatten. Diese Sammlung ist erst ganz neuerdings einer gründlichen Neuordnung unter zogen und auch in neu adaptierten Räumen, ein ono- logisch geordnet, untergebracht worden, ein Beweis, daß es sich das Museum auch in diesen schweren Zeit läuften nicht verdrießen läßt, seine stolze Tradition zu wahren. Fehlen auch die ganz frühen Meister zunächst noch, so bilden die teilweise höchste Kunst offenbarenden Gebilde der Cinquecentisten, etwa des Meisters von Brixen und anderer, etwa dem Puster tale, eine Sehenswürdigkeit für sich. Mit ihrem fürch terlichen Realismus überbieten diese Tiroler Christus maler der Renaissance teilweise fast noch die zeit genössischen Italiener, etwa Mantegna. Ein ganz per sönlicher Stil offenbart sich in der Form und in der Auffassung. Ein Prachtstück für sich ist der soge nannte Kirchenvateraltar vom Ende des 15. Jahrhunderts, der figürlich den Einfluß des größ ten Tirolers Michel Pacher deutlich aufzeigt. Auch ein paar gute Wohlgemut, Am berge r, Ulrich Apt sahen wir. Die tirolische Malerschule des 16. —18. Jahrhunderts ist trefflich vertreten: Namen, wie Sebastian Scheel (1479/1554) werden uns hier vertraut. Reich an tüchtigen Persönlichkeiten ist dann das 18. Jahrhundert gewesen, wenngleich einige Künstler Eklektiker sind, etwa ein J o h. J a c. Zei- ler, der stark an die Malweise Tiepolos gemahnt. Selbständiger erscheinen mir Josef Schöpf oder Peter Kirchebner oder K n o 11 e r. Im Ehren saal Franz von Defregger’s erleben wir es wieder einmal schaudernd, wie mechanisch doch die meisten Zunftkunsthistoriker eine solche überragende Malergestalt als „veraltet“ abzutun heutzutage sich verpflichtet fühlen! Nicht das vielreproduzierte „Letzte Aufgebot“ zeigt die wahre geniale innere Er lebniskraft dieses Meisters, sondern gerade die unbe kannteren Bilder, etwa der „Tharerwirt“ schon in dem leuchtkräftigen Kolorit und in dem visionären Stil. Nun sollten aber die allzeit eiligen Besucher nicht schleunigst umkehren, sondern unbedingt noch den Sälen ein paar Minuten gönnen, in denen ein paar ganz erstklassige Altniederländer hängen, darunter das oft zitierte Meisterwerk von Wouwer- man (mit Jan Wynants) „Die Schlacht bei Nieuw- poort“, ferner einige wohlerhaltene B e r c h e m, Mieris, Dou; selbst ein kleines zartes Selbstporträt des alternden Rembrandt fehlt nicht. Es bedarf wohl nicht erst langer Worte, um dar zutun, daß auch das moderne Innsbruck der Kunst die reichste Pflege angedeihen läßt. Noch immer leben und wirken hier, inmitten der unbegreif lich schönen Bergesnatur, Maler und Bildhauer, die sich bestreben, nach des alten Albertus Dürer Wort „die Natur herauszureißen“. Unter der Aegide des sehr begabten Malers Kühn hat sich ein Künst lerverein gebildet, der in den Räumen der rüh rigen Kunsthandlung Unterberger, resp. in des sen Kunstsalon eine kleine, aber recht interessante Ausstellung veranstaltet. Ganz allgemein erfreut hier die gesunde Kraft, die ungekünstelte Malerfreudig keit an fast allen Ausstellern: ich nenne als besonders charakteristisch hier nur den ja längst auch sonst bestbekannten Bauern feind mit seinen Berg phantasien, ferner den leicht modernistisch sehenden, aber doch gemäßigten Porträtisten K ü h t e. An die alten byzantinischen Goldgrundmeister lehnt sich R e h e i s zwar an, schafft aber einen anekdotischen Bilderfibelstil. Für die ungebrochene Tradition tirolischer hand werklicher Ueberlieferung legt eine Ausstellung sehr beredtes Zeugnis ab, die in dem schönen Barockge bäude des sogenannten Taxishofes in der immer wie der durch ihren Reichtum an malerischen Fassaden imponierenden Maria Theresienstraße von dem tiro- lischen Gewerbebunde veranstaltet wird. Während sonst derartige Volkskunst-Ausstellungen leicht er müden, wird der Besucher hier immer wieder durch irgend eine Sensation im besten Sinne dieses Wortes gefesselt. Bald sind es die humorvollen Gebilde alt- tirolischer Hausindustrie, die Flaschenkorken etwa oder die Nußknacker mit bauernfigürlichen Motiven oder die starkbauchigen bemalten „Gabenschüsseln“, die ungemein anheimelnd wirken und auch guten Ab satz finden, bald ist es auch das bloße Kleinkunstge werbe der mannigfachen Art, das zu Spottpreisen ver käuflich und doch echteste Künstlerware ist; freilich keine Salonkunst (ach, wohin ist es doch entschwun den, das einstens so viel bespöttelte „Salontirolertum“ unserer Jugendtage?!), sondern derbe Schnitzerarbeit voll gesunder Technik, wie sie sich immer in neuen Varianten entwickelt. Ist doch da u. a. eine wunder liebe Krippe ausgestellt, die ein braver Unterinn- taler Bauersmann in 90 (neunzig Wintermonaten) un ermüdlicher Handarbeit hergestellt hat und die durch elektrischen Antrieb in Bewegung gesetzt werden kann: alles Figürliche und Architektonische ist naiv beobachtet und doch nicht ohne Sinn für Komposi tion und farbige Aufhöhung hergestellt. Daneben gibt es dann allerlei bunten Hausrat und Zierat, Por zellanservice, Kleiderkästen, Stühle, Schultertücher; immer wieder aber wird das Ganze auf gut alttiroli- sche Weise von echter christlicher Symbolik durch wärmt; ein überlebensgroßer holzgeschnitzter Hei-