Internationale Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde, Herausgeber: Norbert Ehrlich. 19. Jahrgang. Wien, 15. Jänner 1927. Nr. 2. c Die ßJofiann Strauß-Sammfung ßfosef Simons. Knapp vor Jahrsschluß ist in Wien Josef Simo n gestorben. Er war Präsident der Universaledition, ge hörte mehr als einem halben hundert von Industrie unternehmungen, Banken etc. als Verwaltungsrat an, seinen Ruhmestitel bildete aber seine großartige ,J o h a n n S t r a u ß -S a m m 1 u n g. Simon war nicht nur das Glück zuteil geworden, in nahe verwandt schaftliche Beziehungen zu Johann Strauß zu kom men, sondern auch zu einer intimen Freundschaft, der sich im Persönlichen und Künstlerischen nichts ver schloß, was das Wesen dieses genialen Musikers aus machte. Nur eine innige Liebe voll selbstloser Hingabe hat eine fast lückenlose Sammlung ermöglicht, wie sie Simon als Quelle zu einer Biographie von Strauß zu sammenbrachte. Spürsinn und Finderglück haben dieses rastlose Suchen und Forschen gestützt und be günstigt. Diese Sammlung besteht aus vergilbten ent schwundenen Notenstücken, aus Theaterzetteln, Bil dern, verblaßten Photographien, Verträgen, Privat briefen, Orden, Büsten und Medaillen. Vom Taufschein Johann Strauß’, von dem aller ersten Versuch einer Komposition fehlt nichts, was irgendwie über die Abschnitte und Episoden seines Lebens und seiner Entwicklung Bericht geben könnte. Es ist viel von strenger Methode in dieser Sammlung, die einen nahezu wissenschaftlichen Charakter hat. Sie ist nicht aus einem Kult entstanden und es fehlt ihr ganz das sentimentale Element. Die Reliquien fehlen fast ganz und sie sind, sofern es solche gibt, der Obhut von Adele S t r au ß überlassen, der Witwe des Komponisten, die diese intimen Dokumente mit rührender Liebe bewahrt. Nicht nur von Johann Strauß berichten die ein zelnen Gegenstände und Stücke der Sammlung Simon, sondern von der ganzen Künstlerfamilie, der er an gehörte, von Vater und Mutter, von den musikali schen Zeitgenossen Lanner und Drechsler, ja gewissermaßen in die ganze vor- und nachmärzliche Epoche ist mancher interessante Einblick hier ge geben. Wie kaum einem zweiten Musiker noch ist die nachbildende Kunst des Zeichners, des Lithographen und Maler dem Leben Johann Strauß’ gefolgt. Kali- woda, Zampis, Kriehuber, Schließmann und Zasche haben seine Dirigententätigkeit dargestellt, Lenbach, Huber, Gaul und Tilgner seine Physiognomien in vielen Nuancen fixiert. Jede Phase seines Lebens aber haben die Photographien festgehalten. Die kaum merkliche Veränderung in der körperlichen Erschei nung von Johann Strauß ist in unzähligen Porträts reproduziert und wir sehen den Meister von seinen frühesten Jugendjahren an bis in seine letzte Zeit, bald feierlich repräsentativ, bald im Milieu seiner Häuslichkeit oder im Volksgarten, bei Dommayer oder bei Hofbällen dirigierend, an der Seite seiner ersten Gattin, im Kreise seiner Brüder und Freunde. Eine Photographie zeigt uns Strauß an der Seite von Johann Brah m s, zwei Repräsentanten der ernsten und heiteren Wiener Musik. Er stand zwischen zwei Epochen, schritt von einer alten, sich schließenden Zeit in eine neue. Seine Knabenjahre fallen in die himmelblaue Epoche Alt wiens, in die idyllische Biedermeierzeit, der Lanner seine anmutig zarten Weisen widmete. Seine begin nende Männlichkeit füllt die Bürgerrevolution aus und seine großen Triumphe nehmen ihren Anfang, als in Wien der Gründertaumel mit einer Börsenkata strophe in greller Weise abgeschlossen wurde. Im Rahmen dieses Lebens sind alle Elemente des Dra matischen vereint, das Idyll mit dem welthistorischen Drama und dieses mit der Operettenhaften Nuance der Geschehnisse. Davon sind allerhand Bilder und Do kumente in der Sammlung. Da ist das Häuschen, in dem Strauß geboren wurde, das in seiner Bescheiden heit und behaglichen Art in das noch kleine, von Wällen eingeschlossene Wien paßt wie die anderen, in dem der junge Meister seine erste Wohnstätte auf schlug. Da sind die beiden Eltern, kleinbürgerliche Leute, da die ehrwürdige Gestalt des Lehrers Josef Drechsler, der zwischen pathetischen Kirchen kompositionen innige Lieder zu Raimund’schen Dra men schuf, das unvergessene und liebliche „Brüderlein fein“. Wir wissen, wie ungebärdig der junge Eleve sich verhielt, der auf der Kirchenorgel im Walzer rhythmus sich versuchte, und daß der Lehrer ihn mit dem sorgenvollen Zuruf entließ: „Aus Dir wird nix!“ An der Vorderseite der Regale, auf denen das Ge samtwerk von Strauß in ersten Ausgaben aufgei stellt ist, ist ein schmales Blättchen geheftet, das in wenigen Zeilen den ersten Versuch einer Komposition von Strauß enthält. Die Notenköpfe zeigen schon die Eigentümlichkeiten der Strauß’schen Schrift, wie sie in den im Manuskript erhaltenen Partituren sich uns darbietet. Diese sind in ihren Korrekturen und Ein schaltungen charakteristisch für seine Arbeitsweise und sind von intimsten persönlichen Reiz. Da sind