Seite 194 INTERNATIONALE SAMMLER - ZEITUNG Nr. 18 einem bekannten Kunsthändler um einen angemes senen Preis erworben. Der Kunsthändler freilich hatte das Kunstobjekt von einem Franzosen um 10.000 Dollar gekauft, bei dem Geschäft also nicht weniger als 30.000 Dollar verdient. Diese Kunstfälschung mag für Museen und Kir chen ein Merks sein, auf ihre Kunstschätze besser zu achten. Es mag vielleicht auch nicht unange bracht sein, die Objekte einer eingehenden, fach männischen Prüfung zu unterziehen, um festzustel len, ob nicht ein oder das andere durch Falsifikate ersetzt wurde. Wer weiß, ob man nicht manchen orts sehr unangenehme »Entdeckungen« machen würde. Chronik. BIBLIOPHILIE. (Versteigerung der Schloßbibliothek Lindau in Holstein,) Am 18. und 19. September kommt in der Bücherstube Hans Götz in Hamburg die Schloßbibliothek des adeligen Gutes Lindau in Holstein zur Versteigerung. Die Begründer der Bibliothek hatten besonderes Interesse für Geschichte, Kriegswesen und Geselligkeit, weniger für schöne Literatur. Immerhin finden wir eine recht beträchtliche Anzahl hervorragender Stücke deutscher Literatur, Von Goethe ist nicht nur die außerordentlich seltene erste H i m b u r g‘sche Ausgabe von 1775 in einem Exemplar in alten Lederbänden von großer Schönheit vorhanden, wie es seit der Sammlung D e n e k e im Jahre 1909 nicht mehr auf den Markt gekommen sein dürfte, sondern auch ein Exemplar der A r m b r u s t e r'schen Gesamt ausgabe, die noch zu Goethes Lebzeiten erschien, in grünen Maroquinhänden d. Zt., neben vielen Einzeldrucken. Von den anderen Klassikern finden wir in ersten Ausgaben Hauff, Heine, Hölderlin und Schiller. Hervorzuheben wäre vielleicht noch ein Exemplar der Lebensläufe von Hippel mit den reizenden Kupfern von Chodowiecki, Novalis, Heinrich von Ofterdingen im Ganzlederband der Zeit, sowie ein Pracht exemplar des vaterländischen Museums, an dem eine große Anzahl Klassiker gearbeitet haben, und das hier in einem un berührten Exemplar in den von Philipp Otto Runge gezeichne ten Umschlägen vorliegt. Die Geschichtsabteilung bringt eine Reihe der beliebten Chroniken von Merian in frischen Exemplaren, Wir finden hier auch die nachgelassenen Werke Friedrichs des Großen in der Erstausgabe, eine ziemlich seltene Sammlung historischer Memoiren, die Schiller in den 90er Jahren herausgegeben hat und manches inter essante Pamphlet aus dem bewegten 18. Jahrhundert. Unter den europäischen Staaten sind besonders Rußland und die Türkei zahlreich vertreten, ersteres u. a. mit dem L e Clerc, das schöne Kupfer aus Petersburg enthält; die Türkei mit der frühen Chronik des H ö n i g e r von 1578, die mit zahlreichen Holzschnitten geschmückt ist. Aus der reichhaltigen Sammlung französischer Literatur ragen Gesamtausgaben von Montesquieu, Rousseau und Voltaire hervor, der Gipfelpunkt ist aber eine Möllere- Ausgabe von 1675, die als Originalausgabe anzusehen ist. Napoleon und französische Revolution sind reichlich vertreten. Wir finden auch hier die sehr seltene Topographie Frankreichs von Merian in drei Bänden. Sehr umfangreich ist die Abteilung Länder- und Völkerkunde an Sammel- und Spezialwerken mit Kupfern aus allen Erdteilen. Die Sammlung illustrierte Bücher stammt aus anderem Besitz. Sie gliedert sich in deutsche und fran zösische Illustratoren und bevorzugt das 19. Jahrhundert, Aus früheren Perioden wären erwähnenswert der Reineke Fuchs vor 1572 mit Holzschnitten von F, Altdorffer, Lavater's physiologische Fragmente mit den Kupfern von Chodowiecki, sowie eine Ausgabe der „Pucelle" von Voltaire mit freien Kupfern. An englischen Illustratoren finden wir Alken, eine Reihe von Cruikshank, darunter den seltenen ,,Peter Schle- mihl", Dickens Erstausgaben und Rowlandson. Die Franzosen werden repräsentiert durch Bertall, Daumier, Dore, Gavarni, Gigoux, Grandville, Johannot usw. Es befinden sich darunter ausgesprochene Raritäten, Werke mit den selten erhaltenen illustrierten Originalumschlägen, teils in Ganzlederbänden der Zeit und durchwegs von sehr guter Erhaltung. Erwähnen wir Exemplare von Dore's „Saint Russie", Daumiers ,,Les Francais peints par eux memes“, den St. Pierre von Johannot und schließlich „Histoire de Mr. Jabot“ von Toepffer, so sind das nur einige der erlesenen Gesellschaft. Nicht minder gut ist das deutsche 19. Jahrhundert vertre ten. Wir finden die Serie von Busch, Brentanos Gockel, Hinkel und Gakeleija, von Hosemann u, a. die Illustrationen zu E. T, A. Hoffmann, Lyser, Menzel, Reinick, von Retsch, die Faust- Illustrationen im Erstdruck, Ludwig Richter u. a. das Märchen buch von Bechstein, Philipp Otto Runges Unterlassene Schrif ten, von Schwind die sehr seltene Geschichte von den sieben Schwaben, Sonderland und Speckter. Eine so umfangreiche Pocci-Sammlung, wie die hier angebotene, dürfte so leicht nicht wieder Zusammenkommen und wäre wert, einer öffent lichen Bibliothek einverleibt zu werden. Ausgezeichnet vertreten ist die Abteilung National ökonomie mit Schriften um 1800, als man diesem Gebiet zuerst Bedeutung zuerkannte. Unter den Naturwissen schaften sind astrologische, astronomische, medizinische Werke und Kräuterbücher. Erwähnt sei die außerordentlich seltene Ausgabe des Hauptwerkes von Copernicus, das eine Umwälzung für die ganze Beurteilung des Weltkörpers hervorrief. Sehr reichhaltig sind naturgemäß Schleswig-Hol st ein und die nordischen Länder vertreten mit einer großen Anzahl von Chroniken, Memoiren und Reisewerken. Wir finden hier den Niederschlag des alten Zwistes zwischen Dänemark und den Herzogen von Holstein, einschließlich der Hansestädte. Viele der Verordnungen, Gesetze und Erlässe aus älterer Zeit sind handschriftlich aufbewahrt. Das hervor ragendste Stück dieser Abteilung ist zweifellos eine Pergament- Handschrift des „Jüt'schen L o w s“, die der Mitte des 15, Jahrhunderts entstammt. Es handelt sich hier um eins der Originale, die dem ersten Druck von 1486 zugrunde gelegt wurden. Ein Dokument, das sprachgeschichtlich. j-echtswissen- schaftlich und historisch von grundlegender Bedeutung ist. BILDER. (Auffindung unbekannter Goethe-Zeichnungen.) Im Be sitze de,s Sanitätsrates V u 1 p i u s, eines Urenkels von Goe thes Schwager Christian August V u 1 p i u s, befanden sich 34 Zeichnungen Goethes, von deren Existenz bis vor kurzer Zeit niemand wußte. Die Zeichnungen wurden jetzt vom Goethe-Museum in Weimar erworben, das zur Zeit mehrere Blätter, die mit der Wartburg in Verbindung stehen, im Eisenacher Kunst verein zum erstenmal der Oeffent- lichkeit präsentiert. Diese Blätter interessieren vor allem da durch, daß zwei von ihnen vernichtete Bauwerke der Wart burg zeigen, deren Formen der Gegenwart nicht überliefert worden sind. Die Zeichnungen Goethes geben einen Begriff von beiden Bauwerken, die schon vor der umfassenden Renovie rung der Wartburg durch Karl Alexander von Weimar verfallen waren. EXLIBRIS (Sammlung Dr. Waehmer.) Paul Graupe in Berlin stellt die Exlibris-Sammlung des verstorbenen Dr. Waehmer (Halle) zum Verkauf. Die Sammlung gehört zu den umfassend sten ihrer Art. Sie enthält in etwa 10.000 Blatt in fast lücken loser Geschlossenheit die Erzeugnisse der Exlibris-Kunst vom 15, Jahrhundert bis zur neuesten Zeit, darunter zahlreiche, teilweise noch unbeschriebene U n i c a, alles in erlesenen Qualitäten, sowie die gesamte Exlibris-Literatur. HANDSCHRIFTEN. (Fünfzig unbekannte Bach - Manuskripte.) Nach einer Meldung Schweizer Blätter wird demnächst eine bisher unbe kannte Sammlung von Bach-Manuskripten veröffent licht, der auch die gelegentlich des Leipziger Bach-Festes gespielte Bach-Sonate in G entstammte. Die Sammlung, die unverkäuflich ist und deren Existenz bis jetzt geheim gehalten wurde, da die Veröffentlichung der unbekannten Manuskripte letztwillig untersagt war, wird in Bälde wissenschaftlich be arbeitet werden. Sie soll fünfzig unbekannte Musik manuskripte von Bach und einiger ihm nahestehenden Kompo nisten enthalten; man nennt darunter das älteste bisher be kannte Musikautograph Bachs und ein großes Konzertwerk, von dessen Existenz nichts bekannt war. Der glückliche Be sitzer dieser wertvollen Sammlung ist der Antiquar Manfred G o r k e in Eisenach; seine aus Schlesien stammende Familie besitzt einige dieser Manuskripte bereits seit hundertfünfzig Jahren, w’ährend andere Stücke anfangs des 19. Jahrhunderts aus dem Nachlaß des Bachbiographen Forkel angekauft wurden.