Seite 20 INTERNATIONALE SAMMLER - ZEITUNG Nr. 2 Cine Selbstmordbibliothek. Die Augsburger Stadtbibliothek hat kürzlich eine der seltsamsten Büchersammlungen er worben, die es geben dürfte. Es handelt sich um die Selbstmordbibliothek, die Dr. Hans Rost begrün det hat. Es wäre verfehlt, diese Sammlung nur als eine Kuriosität anzusehen. Dr. Rost ist seinerzeit von dem berühmten Münchener Statistiker Georg v.on Mayr angeregt worden, diese Bibliothek zu schaffen, Mayr selbst hat sich, vom soziologischen Standpunkte aus, eindringlich mit dem Problem des Selbstmordes be schäftigt, und soviel auch über diese Fragen, diesen Komplex von wesentlichen Problemen geschrieben, veröffentlicht, debattiert worden ist, so dürfte es doch sonst kaum eine derartige Zusammenstellung der einschlägigen Literatur geben. Eines der ersten Stücke ist hier die Schrift des Bischofs Sailer über den Selbstmord, die im Jahre 1785 erschien. Fremdsprachliche Arbeiten sind so gut vertreten wie die deutschen. Ein bulgarisches Buch fällt auf, ein Werk d&s altzagoraischen Erz bischofs Methodie. Das Thema ist überhaupt vielfach von kirchlicher Seite behandelt worden. Natürlich ist immer weitaus mehr gegen, als für den Selbstmord geschrieben oder doch veröffent licht worden. Die verschiedenartige Behandlung des Problems, der mit religiösen und philosophischen Fragen (Freiheit des Willens, Begriff der Pflicht, Fortleben nach dem Tode) so tief zusammenhängt, wie mit rein wirtschaftlichen, ist nicht ungefährlich, und sie dürfte selten den Augen der Zensur ent gangen sein. Besonders wachsam aber war immer die Zensur des zaristischen Rußland solchen Selbst mordschriften gegenüber, und es ist bezeichnend, daß das bolschewistische Rußland es hierin nicht anders hält. Immerhin dürte es selten genug sein, daß zum Selbstmordproblem so wie in Goethes ,,Werther“ oder in Gustav Landauers Erstling ,,Der Todesprediger , ‘ Stellung genommen worden wäre. Rosts Sammlung beleuchtet das Gesamtgebiet von allen Seiten. Eine ähnliche Selbstmordbibliothek, die des Berliner Kulturhistorikers Max von B ö h n, ist der Rostschen angegliedert. Rost arbeitet nun noch an einer Selbstmord-Bibliographie, die viertausend Nummern umfaßt und in 60 Kapiteln eingeteilt ist. Das Exlibris der Sammlung zeigt den Tod, der auf zwei Pfeilern der berühmten Selbst mörderbrücke von Großhesselohe sitzt. Chronik. AUTOGRAPHEN. (Ein Bach-Manuskript.) Den Glanzpunkt der bevorstehen den Äutographen-Auktion bei J. A. Stargar dt in Berlin bildet ein Manuskript von Johann Sebastian Bach, Es ist ein 2t Seiten umfassender Band, der als Sonate bezeichnet wird und ein Präludium, eine Fuge, eine Toccata, eine Courrente, eine Sarabande und ein Guique enthält. 20 Seiten sind ein Diktat Bachs oder eine Abschrift, die er einem Schüler in die Hände gab, eine Seite ist von Bach selbst ge schrieben, Das Manuskript befand sich ursprünglich in der Sammlung des ersten Bach-Biographen Forkel, von dem es am 15. März 1841 Aloys Fuchs erwarb. Lange hielt man den ganzen Band für eine Handschrift Bachs, doch wies Pro fessor Dr. Kinsky (Köln) nach, daß nur eine Seite wirklich von Bach selbst herrührt. BIBLIOPHILIE. (Die Wernigeroder Schloßbibliothek gesichert.) Die für die wissenschaftliche Forschung sehr wichtige Wernigeroder SchloQbibliotihek war von dem Fürsten Stolberg-Werni- gerode am 1, August geschlossen worden, weil die Kosten nic-ht mehr tragbar erschienen. Dem Oberpräsidenten der Pro vinz Sachsen, Professor Dr. W a e n t i g, ist es, wie uns be richtet wird, jetzt gelungen, die nötigen Zuschüsse sicherzu- stelien, so daß mit einer Wiedereröffnung der Bibliothek in kurzer Zeit zu rechnen ist. (Eine Sammlung von Ansichten Alt-Potsdams.) Der im Juli 1928 in Potsdam verstorbene Maler Fritz Rumpf hatte in mehr als dreißigjähriger Sammeltätigkeit Ansichten Pots dams, seiner Gebäude und sonstigen Sehenswürdigkeiten in großer Vollständigkeit zusammengebracht. Neben wertvollen Origmalstichen und Lithographien von Margarete Hecikert, O. A. Erich u. a, finden sich darunter auch primitive Bildchen, darunter ein paar Oelbilder, die aber um des Dargestellten willen von Bedeutung sind. Jetzt ist die einzigartige Sammlung von der Gesellschaft der Freunde der Preußischen Staats bibliothek erworben worden, die dadurch auf dem bisher nur verhältnismäßig schwach vertretenen Gebiet an die erste Stelle treten dürfte. (Tischzucht,) Die Zenlralhibliothek Zürich beschenkte ihre Freunde und Gönner mit einer reizenden Neujahrsgäbe, Sie hat einen Neudruck des ersten Neujahrsblattes (1645) der Stadtbibliothek Zürich, welches zur Erinnerung an deren Gründung im Jahre 1629 hergestellt wunde, veranstaltet. Das Blatt trägt die Ueberschrift „Tischzucht" und zeigt eine kinderreiche Bürgerfamilie, die sich zum Mittagsmahle ver sammelt und eben das Tischgebet des Hausvaters anhört. Ein langes köstliches Gedicht belehrt in ungeschminkter Sprache über die Verhaltungsmaßregeln bei Tische, Auffallend ist, daß der Gast die Speise weder tadeln noch rühmen solle, „Die Speisen und Getränk zu tadeln nicht gedenke: Ja gar zu rühmen nicht: das Maul nicht drüber henke“. „Des starken Blasens dich sollst enthalten. In keines andern Ort auß gemeiner Blatten iß: Vil minder auf den Geitz, und Dich nicht überfriß. Den andern Bissen solst mit deinem Mund nicht fassen. Du habest dann zuvor den ersten abgelassen." (Ein zentrales Einstein-Archiv,) An der Hebräischen Uni versität Jerusalem hat sich ein Komitee zur Gründung eines zentralen Einstein-Archivs gebildet. Das Komitee bittet um Zusendung (direkt an die Universitäts-Bibliothek) aller auf Einstein bezüglichen Publikationen: Bücher, Broschü ren, Artikel, seLbst kleiner Notizen aller Art. sowie von Bil dern und Karikaturen, ferner Briefen Einsteins und Briefen her vorragender Persönlichkeiten über ihn und seine Lehre. (Das Original der Relativitäts-Theorie befindet sich in der Jerusalemer Universität, deren Kuratorium Einstein angehört, Die Red.) BILDER. (Ein Brutus-Bild von Rembrandt entdeckt.) Ein kürzlich entdeck'er Rembrandt hängt zurzeit als Leihgabe im Zentralmuseum Utrecht aus dem Besitz des Herrn Chabot, Das hochinteressante Bild, das von Cornelia Hofstede de G r o o t wissenschaftlich veröffentlicht worden ist, hat beson dere Bedeutung deswegen, weil es außer dem Monogramm des Künstlers die Jahreszahl 1626 trägt: es ist damit das frü heste große Bild, das sich von dem damals zwanzigjährigen, noch in seiner Vaterstadt Leyden tätigen Meister nachweisen läßt. Viele Figuren füllen die Leinwand, aber eine Deutung hat erst eben der Göttinger Privatdozent Dr, Wolfgang Ste- c h o w gefunden, der darüber in der holländischen Zeitschrift „Oud Holland" berichtet. Es ist Konsul L. Junius Brutus, der seine beiden Söhne Titus und Tiiberius vor seinen Augen hmrichten läßt, weil sie sich zugunsten des Königs Tarquiniuss gegen die Republik verschworen hatten. Die Szene ist aus der römischen Geschichte des Livius seit allen Zeiten hochbe- rühmt. Aber Rembrandt hat sich nicht an die bestehende Bild überlieferung gehalten, wie sie in den vielen deutschen illu strierten Livius-Ausgaben niedergelegt war, und so ist seine Darstellung nicht gerade sehr klar geworden. Der strenge Vater steht erhöht vor einer Architektur, inmitten seines Ge folges, vor hingeschütteten Waffen und streckt den Arm mit