Seite 222 INTERNATIONALE SAMMLER - ZEITUNG Nr. 22 wie eine entsprechend schöne Lautensack-Samm- lung in der Boernerschen Auktion im Jahre 1928. In der kleinen Rembrandt-Sammlung brachten die wenigen, wirklich ausgezeichneten Qualitäten recht gute Preise. 2800 M. der Christus am Oelberg, 3200 M, der ungläubige Thomas und denselben Preis der Hieronymus am Weidenstumpf. Eine Landschaft mit dem Turm, allerdings nicht ganz intakt, brachte trotzdem noch 2500 M. Unter den frühen Drucken Schongauers sind zu nennen die Preise von 2900 M. für die Geißelung und 4100 M. für ein Ecce homo, 4600 M. für einen Michael, Hier blieben eine Anzahl sehr schöner Blätter auffallenderweise un verkauft. Wesentlich lebhafter ging es wieder bei def Versteigerung der Sammlung Carl Sachs, der inter nationalen Graphik des 19. Jahrhunderts, zu, die am 6. November an die Reihe kam, Als Zeichen der Zeit fehlten hier die englischen Händler und merkwür digerweise auch die französichen. Trotzdem wurden ansehnliche Preise erzielt und der größte Teil der Sammlung verkauft. Bemerkenswert war, daß dies mal die Serien prachtvoller Probedrucke von Dau- mier nicht in dem Maße begehrt waren, wie z. B, bei der Sammlung Model bei Boerner im Frühjahr 1929, wo die große Daumier-Hausse begann. Auch die schönen Serien der Blätter von Forain fanden nicht sehr viel Interesse. Dagegen wurden die Blätter von Munch auf das lebhafteste geboten und zum großen Teil über die Taxe bezahlt. Allerdings han delte es sich um ungewöhnlich schöne Frühdrucke, Der andere Nordländer dieser Sammlung, Zorn, war dem gegenüber wenig begehrt. Auch dies eine Frage der Qualität, die bei vielen Hauptblättern zu wünschen übrig ließ. Wie zu erwarten, konzentrierte sich das Interesse des Auktionspublikums heftig auf die schönste Partie der Sammlung, das prachtvolle Werk früher Blätter von T oulouse-Lautrec, Hier kam eine ganze Anzahl ungewöhnlich hoher Preise zustande, so 1100 M, für die Miss May Beifort, 1050 M. für die Sortie de Theätre, 1000 M. für La Danse au Moulin-Rouge, 1350 M. für die Partie de Campagne. Aber auch alle anderen Blätter der Serie wurden stark geboten und vielfach über die Taxe bezahlt. Zusammenfassend muß gesagt werden, daß für den Auktionserfolg heute der Ruf einer Sammlung maßgebender ist denn je, und daß alle guten Blätter, die man nicht durchschnittlich in den Mappen der in- und ausländischen Händler findet, sich gut ver kaufen. Man könnte fast sagen, daß die Preise dieser Boernerschen Auktion im einzelnen noch vielfach über dem Niveau gelegen sind, das man heute er warten mußte, wohl eine Folge der übertriebenen. Preissteigerung, die gerade die Boernerschen Auk tionen in den Jahren 1927 bis 1929 gebracht haben, als eine übermächtige amerikanische Konkurrenz, für welche die Höhe des einzelnen Preises gar keine Rolle spielte, die sonst ziemlich stabilen Werte voll ständig über den Haufen warf. Seltene Jnkunabeln. Inkunabel-Sammlungen sind heute selten ge worden. Haben wir aber Gelegenheit, eine solche Sammlung zu betrachten, wie sie das Buch- und Kunst-Antiquariat Walther Christiansen & Co. in Hamburg am 28. November zur Versteigerung bringt, so überrascht uns das einheitliche Bild, das Sorgfalt und Liebe jedes einzelnen Druckers seinem Werke gegenüber vor uns erstehen lassen. Die Druck, orte mögen weit verstreut liegen — in Deutschland, in Frankreich, in Italien — ihre Pressen scheinen eine allgemeine Kulturverbundenheit, eine »Kultur solidarität« zu verkünden, der sich die folgende Zeit nicht mehr im gleichen Maße rühmen darf. Von der Kulturgemeinschaft ist eine einheitliche geistige Atmosphäre nicht zu trennen. Sie wird be stimmt durch das Weltbild eines Albertus Magnus, eines Thomas von A q u i n o, eines Thomas a Kempis. Und fern, aus dem untergehenden Alter tum, grüßen die »Tröstungen der Philosophie« des Boethius herüber. In diese Welt gliedert sich alles ein, gleichgültig ob Naturwissenschaft, Ge schichte, Erdkunde, oder was es auch sei; aber es ist nicht auffallend, daß die Theologie den Vorrang genießt. Daneben machen sich freilich schon die Stimmen des jungen Humanismus und der Renais sance geltend, und Namen wie Laurentius V a 11 a, Enea Silvio, Johann Reuchlin erscheinen als Vorboten einer neuen Zeit. Mit diesen Namen sind bereits einige Autoren herausgegriffen, die auch in der in Rede stehenden Sammlung eine Rolle spielen. Ein Beweis dafür, in einem wie- hohen Grade sie ein Gesamtbild mittel alterlicher Weltanschauung vermittelt. Dabei ist es zum Beispiel interessant, daß Albertus Magnus gerade mit einer Sammlung großenteils naturwissen schaftlicher Werke (gedruckt in den Jahren 1494/95) vertreten ist. Vom bibliophilen Gesichtspunkte aus hätte ein anderer Name verdient, hier an erster Stelle ge nannt zu werden: Peter Schöffe r, der mit der Geschichte der Erfindung der Buchdruckerkunst un löslich verbunden ist. Er ist in dieser Sammlung mit zwei hervorragenden Drucken vertreten, deren einer (die »Sermones« des heiligen Bernhard, 1475) die berühmte Signatur Schöffers enthält. Der andere Druck gehört dem Jahre 1473 an. Kaum weniger interessant sind die ersten Nürnberger Drucke Johann Sensenschmids (1470), Wie Nürnberg dann fast in den Mittelpunkt deutscher Buchdrucker kunst rückt, verdeutlicht die Sammlung aufs Schön ste, Aller Ruhm knüpft sich hier an den Namen Anton Koberger. Eines besonderen Rufes er freuen sich die prachtvollen Holzschnittwerke Ko- bergers: die neunte deutsche Bibel (die hier im ersten Bande, 1483, vorliegt) und die Schedelsche Welt- chronik, 1493, die sowohl in der lateinischen wie in der deutschen Ausgabe vorhanden ist. Neben Nürnberg paradiert Augsburg mit einem sehr frühen und seltenen Druck der Enzy klopädie des Isidorus Hispalensis (d. h. aus Sevilla) vom Jahre 1472. Sie ist von Günther Zainer ge druckt. Später spielen Anton Sorg und Erhard R a t d o 11 eine besondere Rolle in Augsburg. Rat- dolt war 1487 aus Venedig dahingekommen. Die Sammlung bietet aus beiden Wirkungsstätten Belege, die das besondere Interesse des Druckers für Astro nomie und Astrologie offenbaren, Diese Neigung ist nicht zu unterschätzen, weil unsere Drucker wissen schaftlich höchst bedeutende Männer waren. Von den Drucken Ratdolts sei das Werk »Firmins de Beau val« .(Venedig, 1485), das eine Verbindung von Astro logie und Meteorologie darstellt, besonders hervor gehoben. Aus V e n e d i g interessiert sodann wohl namentlich das »Supplementum chronicarum« des