Seite 26 INTERNATIONALE SAMMLER-ZEITUNG Nr. 3 ben; unsere Sammlung war uns nicht nur ein Mittel kunsthistorischen Verständnisses, sondern auch ein Quell reinen Genusses. Sie hat uns ermöglicht, den Glauben an den schöpferischen Willen und die schöp ferische Kraft dieser Zeit nicht zu verlieren. Louis Treumann Wenn Menschen in ein gereiftes Alter treten, pflegen sie gewöhnlich ein bißchen Bilanz zu machen über ihre bisherige Lebensweise. Da stellt sich dann gewöhnlich bei offenem ehrlichen Sinn, und zu wem sollte man ehrlicher sein, als zu sich selbst, die Tat sache ein, daß man darauf kommt, zwar leider zu spät, manches unterlassen zu haben, was man mit Leichtigkeit, ja beinahe mühelos, besorgen hätte können. So geht es mir bei dem Gedanken: Wieso kommt es, daß ich keine Antiquitäten besitze? Wie oft trat die Gelegenheit an mich heran, auf günstigste Art Wunderdinge an Altertümern zu ergattern, und immer wieder kam etwas dazwischen, was mich diese Kostbarkeiten entwischen ließ. Von Natur aus — bei Gott — nicht neidisch veranlagt, aber wenn ich zu Freunden komme, die mit Stolz ihre Antiqui täten zeigen — wahrlich, es beschleicht mich ein kleiner, sagen wir lieber gleich, ein großer Neid. Abgesehen davon, daß Sammlungen, seien es Por zellan, Bilder, Münzen, Marken, Teppiche, Möbel, Stiche etc., einen stets steigenden Wert besitzen, so daß das Geld, welches man einst dafür ausgegeben, sich in kaum ausdenkbarer Höhe verzinst, also nie nutzlos verausgabt war — ist der Blick auf all die Kostbarkeiten und das Wandeln unter ihnen — erhebend. Menschen, die sammeln, haben immer ein gutes Gemüt und sind Idealisten. Wehe dem Menschen, dem der Idealismus abhanden kommt! Der reale Mensch allein, ohne Idealismus — ist nur Fleisch ge wordene Maschine. Ideale Menschen haben Herz. Menschen mit Herz — haben Sinn für die Kunst und die Künstler! Musik, Theater und Sammeln von Kunstgegenständen gehören somit in das Reich de rer, die beim Abschluß ihres Lebens sagen können: »Ich habe genossen.« Carl von Zeska Das „Sammeln' 1 , das einst heiß begehrt, Hat leider heute nicht viel Wert. In dieser Zeit, die fürchterlich Sammle, o Mensch, nur selber dich! Mein "Werdegang als Sammler. Von Hubert Marischka, Direktor des Theaters an der Wien. Wie ich über den Wert des Sammelns denke, soll ich Ihnen das sagen? Da möchte ich erst darüber etwas erzählen, wie ich Sammler geworden bin. Ich glaube, der Drang und die Lust zum Sammeln muß entweder angeboren sein oder einem zumindest in der Jugend eingeimpft worden sein; bei mir war es jedenfalls so. Schon mein seliger, sehr kunstver ständiger Vater und mein im Vorjahre verstorbener älterer Bruder Franz waren eifrige Sammler von Kunstgegenständen aller Art, wie Stilmöbel, Holz schnitzereien, Bilder alter Meister usw. Dies nicht nur, weil es ihr Beruf als Kunstgewerbler so mit sich brachte, sondern auch bestimmt einem inneren Drange folgend. Ihr Beispiel wirkte sich zweifellos auch auf mich schon in meiner Jugend aus und auch ich meinerseits fing zu sammeln an, natürlich erst solche Dinge, die jeder von uns wahrscheinlich in seiner Jugend gesammelt hat, wie Marken usw. Auch für das Sammeln von Büchern hatte ich schon von jeher etwas übrig. Uebrigens fällt mir jetzt eine Anekdote aus meiner Jugendzeit ein, die in das Gebiet der Samm lertätigkeit hinüberspielt. Mein Vater war als Ge schäftsmann und gleichzeitiger Sammler von Kunst gegenständen ein Original und konnte sich oft viele Jahre nicht von einem ihm lieb gewordenen Ver kaufsgegenstand aus seinem Kunstgewerbe- und Antiquitätengeschäft trotz der lockendsten Anbote trennen. Oft geschah es, daß er einfach solche Gegenstände den Blicken eifrig nachforschender Sammler dadurch entzog, daß er solche Gegenstände aus seinem Geschäft entnahm und irgendwo ver steckte, nicht etwa darum, um später vielleicht einen höheren Preis für einen solchen Sammelgegenstand zu erzielen, sondern bloß aus reiner Sammlerfreude. An Sonntagen, wenn das Geschäft gesperrt war, holte er solche Gegenstände dann aus ihrem Versteck her vor, betrachtete sie liebevoll stundenlang, um sie so fort verschwinden zu lassen, wenn unerwarteter Be such kam. Zum Beispiel hatte mein Vater auch als Musikliebhaber eine Sammlung alter Spielorgeln und mechanischer Spielwerke, die er oft heimlich hervor holte, wenn er sich unbeobachtet glaubte, um sich behaglich an ihrem eigenartigen Klangreiz und an ihren alten Melodien zu erfreuen. Mich als seinen musikalischesten Sprößling zog er häufig zu diesen heimlichen Konzerten heran und ich glaube, daß ich gerade diesem Umstand es verdanke, daß die Liebe zur Musik schon in meinen Kinderjahren in mir er weckt wurde. Noch mit anderen hervorragenden Sammlern kam ich damals in Berührung und hat sich mir unaus löschlich eine Episode eingeprägt, die ich kurz er zählen möchte. Die Sammlerkreise, mit denen mein Vater und später mein Bruder als sein Nachfolger im Geschäft in Berührung kam, umfaßten hauptsäch lich die Hocharistokratie, selbst Mitglieder des Kai serhauses standen auf diesem Gebiete mit meinem Vater und mit seinem Geschäft in enger Beziehung. Einer der eifrigsten Kunstsammler war bekanntlich Erzherzog Franz Ferdinand von Oester reich-Este, selbst noch als Thronfolger. Eine seiner Sammlerspezialitäten war das Sammeln von den heiligen Florian darstellenden Figuren. Da hat nun einmal mein Vater, ich glaube in Tirol oder Kärn ten, ein besonders schönes Stück aufgetrieben und in seinem Geschäft zum Entzücken aller Kenner aufge stellt. Die Figur wurde von ihm als unverkäuflich be zeichnet und selbst dem hohen Herrn gelang es nicht, trotz monatelangem Bemühen, ihm dieselbe für seine Sammlung zu überlassen. Lockungen aller Art schie nen auf meinen Vater keinen Eindruck gemacht zu haben und schließlich ließ er die Figur auf erprobte Art aus seinem Geschäft verschwinden und behaup tete, sie sei gestohlen worden. Doch der Erzherzog, der meinen Vater und seine Sammleroriginalität sehr