Nr. 3
INTERNATIONALE SAMMLER-ZEITUNG
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Zine kleine
Sammlern den Wert des Sammelns vor Augen
zu führen, hieße Eulen nach Athen tragen. Es schien
uns aber nicht uninteressant, prominente Persön
lichkeiten aus allen Gebieten des Geisteslebens
darüber zu befragen, wie sie über das Sammeln
denken.
Hier die uns freundlichst zur Verfügung gestell
ten Aeußerungen:
Dr, Franz Karl Ginzkey
Nie ist Sammlers stilles Wirken
Ein verlorenes Beginnen,
Denn aus äußeren Bezirken
Sammelt Werke er nach innen.
Professor Dr. Wilhelm Kienzl
Ich bin kein Sammler; ich sammle keine
Schmetterlinge, keine Mineralien, keine Briefmar
ken, keine Autogramme, keine . . . usw,
Sollte man mich aber dennoch, wie es scheint,
einen Sammler nennen, so kann sich das nur auf
meine persönlichen Erinnerungen beziehen, von
denen meine behagliche Arbeitsstube von unten
bis oben vollgepfropft ist und die — ich darf es ohne
Selbstüberhebung sagen — von meiner geradezu
beispiellosen Ordnungsliebe und Registrierleiden
schaft Zeugnis gibt. So sind nicht nur meine zahl
reichen Musikalien und Bücher systematisch kata
logisiert, wie es ja auch bei anderen Bibliophilen
und Musikfreunden der Fall ist, sondern alles, was
mich umgibt oder durchs Leben begleitet hat, So
verwahre ich 56.640, sage sechsundfünfzigtausend-
sechshundertvierzig, an mich gerichtete Briefe nach
Kategorien faszikuliert, chronologisch und alphabe
tisch geordnet, darunter natürlich viele von be
rühmten Zeitgenossen; immerhin eine originelle
Sammlung, wenn man es so nennen will.
Alle Bildnisse, Andenken, ferner meine eige
nen literarischen und musikalischen Manuskripte,
Skizzen und Publikationen, bilden eine Sammlung
für sich. Jeder Brief, jedes Blatt, ist in wenigen
Minuten auffindbar. Dazu kommen noch etwa vier
zig Bände eines von mir seit 61 !4Jahren (vom 1.
Oktober 1871 an) lückenlos geführten Tagebu
ches, ferner 75 Bände systematisch geordneter
Zeitungsausschnitte (Kritiken, Aufsätze,
Illustrationen, Notizen über mich und mein künst
lerisches und literarisches Wirken in allen europä
ischen Sprachen) und eine Statistik der Auf
führungen meiner Opernwerke, die sich auf einen
Zeit.aum von 47 Jahren erstreckt. Und noch aller
lei anderes!
Ich frage nun: Bin ich in Ihren Augen ein
Sammler oder nicht? — Vielleicht sogar ein — Pe
dant?
Heinz Ortner
Ich bin Sammler. Meine Liebe gehört der G o -
t i k. Grünwald und Brueghel stehen mir am näch
sten. Auch gotische Plastiken liebe und suche ich.
Das Gesicht einer Zeit spiegelt sich in seinem
Kunstschaffen. Will man vergangene Zeiten erfühlen,
so kann dies vor allem nur durch das Kunstwerk ge
schehen. Der Kulturwert drückt das Endsiegel jeder
Zeitperiode auf. Was liegt also näher, als Sammler
von Kulturwerten zu sein?
Jlundfrage.
Professor Dr, Friedrich Schreyvogl
Der Zwang, durch außerordentlich schwierige
Zeitverhältnisse und Lebensumstände hindurch dazu
zu gelangen, daß ich ganz meinem Beruf und meiner
Bestimmung als Dichter leben kann, hat bisher so
sehr alle meine Kräfte aufgebraucht, daß ich nie da
zu gekommen bin, etwas anderes zu sammeln, als
meinen Willen und meine Einfälle. Trotzdem ist mir
der Sammler immer als ein sehr wichtiger und lie
benswerter Menschentypus erschienen und das Sam
meln als ein sehr sinnvoller Ausdruck des Lebens
überhaupt.
Wer sich einer Sache ganz h i n g i b t, kommt
dem allgemeinen Sinn der Welt rasch nahe, wo im
mer er auch steht. Denn darin sind alle Gebiete des
Lebenskampfes miteinander verwandt, daß sie sich
erst in der Tiefe und nur von dem richtig erkennen
lassen, der sich völlig seiner Aufgabe hingibt. Der
wirkliche und ernste Sammler ist also durch seine
übermächtige Liebe, wie durch den Trieb, sie immer
vollkommener zu erfüllen, dem Dichter, Maler und
Musiker verwandt.
Zuletzt auch; Wer das Leben richtig meistern
will, muß dieses Leben auch als eine Kunst betrei
ben, Also müssen die Qualitäten des wirklichen
Sammlers zugleich die fruchtbarsten Grundeigen
schaften wirklichen Menschentums sein . . .
Professor A. F, Seligmann
Um von dem Wert des Sammelns in kultureller,
wie in nationalökonomischer Hinsicht einen Begriff
zu geben, genügt es schon darauf hinzuweisen, daß
so gut wie alle großen öffentlichen Museen, Gale
rien etc. von Weltruf aus Privatsammlungen ent
standen sind und daß diese auch jetzt noch, wenn
es auch nicht in der Absicht ihrer Begründer ge
legen sein mochte, das Material darstellen, aus dem
die ersteren ihre Bestände bereichern und ergänzen.
Was aber die Existenz solcher großen Museen für
das geistige Leben und nicht weniger für das wirt
schaftliche zu bedeuten hat, braucht erst nicht im
einzelnen ausgeführt zu werden.
Hofrat Professor Dr. Hans Tietze
Von den zahlreichen Wurzeln des Sammelns,
d, i. des Zusammentragens von Gegenständen, ohne
damit irgendeinen praktischen Zweck — einschließ
lich den einer Dekoration — erfüllen zu wollen, ist
für mich nur eine einzige wirksam gewesen: der bei
einem zeitlebens mit Kunst beschäftigten Nicht
künstler begreifliche Wunsch, mit dem gestaltenden
Willen der Zeit in möglichst engen Kontakt zu sein,
künstlerische Arbeit dort zu belauschen, wo sie am
ungetrübtesten und persönlichsten zutage tritt. Aus
einem ständigen Zusammensein mit lebenden Künst
lern — lebend nicht im Sinne einer Zeitbestimmung,
sondern in dem produktiver Kraftentfaltung — ist
meine und meiner Frau Sammlung moderner
Handzeichnungen entstanden, aus der ein
Teil im Sommer 1930 im Oberen Belvedere ausge
stellt gewesen ist. Diese dauernde Berührung gerade
mit jenem Material, in dem sich des Künstlers in
timste Empfindung entfaltet, und sein Ringen mit
der Aufgabe am deutlichsten wird, hat uns die Not
und Sehnsucht heutiger und jeglicher Kunst zu ver
stehen geholfen und verstehen zu wollen angetrie-