Internationale Sammler^effunj) Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde Herausgeber: Norbert Ehrlich 27. Jahrgang Wien, April—Mai 1935 Nr. 7/8 Sammler im Gab es im alten Wien Sammler? Lady Mary Worthley Montague, die mit ihrem Gemahl, dem englischen Gesandten, im September 1716 nach Wien kam, bewundert in ihren Briefen an den Dichter Pope die fürstlichen Einrichtungen der Wohnungen, „voll Vergoldung, voll von Gobelins, von großen Spiegeln mit Silberrahmen, japanischen Kostbarkeiten, Lustern von Bergkristall, Gemälden usw.“ Man würde aber in den Fehler des Reisenden in der Anekdote ver fallen, der, durch Krankheit verhindert, die Stadt zu besichtigen, die Beobachtungen in seinem Hotelzim mer verallgemeinerte, wenn man annehmen würde, daß das Sammeln damals schon eine verbreitete Sache in Wien war, Bei den wenigen Familien, in denen die Lady verkehrte — sie nennt Cropesa, Puebla, Wurmbrand, Schick und Tarouca —, wird es zweifellos kostbare Objekte gegeben haben, aber von einem systematischen Sammeln konnte wohl da nicht die Rede sein. Als den einzigen Sammler jener Zeit könnte man den Prinzen Eugen von Savoyen ansprechen, dessen Bibliothek durch die schönen und kostbaren Ausgaben und durch die prachtvollen Ein bände berühmt wurde. Geschichte war, — man kann dies heute noch in der Nationalbibliothek, wohin die Bücherei später kam, sehen — rot, Theologie und Jurisprudenz blau, Naturgeschichte u. dergl. gelb ge bunden. Eine Kostbarkeit der Sammlung war ein geographischer Alias in 46 Foliobänden mit 571 Zeichnungen und Kupferstichen namhafter Künstler. Ebenso kostbar waren die botanischen und zoologi schen Prachtwerke mit den Miniaturen von Langres. Der „kleine Abbe“ brachte außerdem eine Sammlung von Kupferstichen zusammen, die 290 Bände füllte, eine Sammlung von Porträts (217 Bände) und eine von erlesenen Handzeichnungen (heute in der Alber tina). Ein Schatz aber, den er besonders hütete und selten jemand zeigte, war die Handschrift des Philo sophen Leibniz, der die einzige Darstellung seines Systems für ihn verfaßt hatte. Die ersten Spuren einer Sammeltätigkeit bei den Bürgern Wiens finden wir erst unter Maria Theresia, wo Professor Christian Brand seine erste „Suite“ der nach dem Muster der Pariser Kaufrufe von Bouchar- don gezeichneten „Wiener Kaufrufe“ erscheinen ließ. Sei es, daß die Blätter zu teuer waren — die Folge kostete einen Speziesdukaten oder sechs Gulden —- alten Wien. oder daß zu wenig Reklame dafür gemacht wurde, die Kaufrufe gingen nicht, wie nach den Darstellun gen zu hoffen war, in die große Menge, und es dauerte viele Jahre, ehe Artaria eine zweite „Suite“ folgen ließ. Geschickter packte es schon Johann Hieronymus Löschenkohl an, der es unternahm, nach eigenen Zeichnungen und nach Zeichnungen anderer Ereignisse und Helden des Tages mit Hilfe des Grab stiches zu verewigen. Zeichnerisches Talent war Lö schenkohl nicht abzusprechen, Porträts und Gruppen, von denen wir wissen, daß sie von seiner Hand her rühren („Glück der Zukunft“, „Neujahrsempfang", „Kaiser Josef und die Generale“), verraten, wenn man von der etwas monoton wirkenden Anordnung der Figuren im Profil absieht, eine beachtenswerte porträtistische Begabung. Löschenkohl begann seine Tätigkeit im Jahre 1780. Kurz nach dem Tod Maria Theresias prangte in seinem Schauladen auf dem Hohen Markt 488 sein Blatt „Theresiens letzter Tag“. Die neun Köpfe die ses Blattes waren in Silhou.ettenmanier ausgeführt, einer Kunstgattung, der sich Löschenkohl bald nach ihrem Siegeszug aus Frankreich annahm und die er bei den von ihm verlegten Porträts jahrzehntelang pflegte. Die Spekulation auf die Popularität der Kaiserin schlug nicht fehl. In wenigen Tagen waren schon 7000 Exemplare zu zwei Gulden das Stück ver kauft. Ermutigt durch diesen beispiellosen Erfolg, folgte nun Blatt auf Blatt: „Pius VI. am Ostersonn tag am Hof in Wien“, Kaiser Josef“, „Herzog Albert von Sachsen-Teschen“, „Fürst Rosenberg“ und so fort mit Grazie in infinitum. In seinem Eifer, den Hunger des Publikums nach seinen Blättern zu stillen, griff i er den Ereignissen vor; so hat er zum Beispiel die Hinrichtung Robespierres schon zu einer Zeit ge bracht, wo dieser Bluthund noch lustig andre köpfen ließ. Einer der größten Kupferstichsammler der Zeit war der niederösterreichische Landstand und k. k. privilegierte Großhändler Johann Jakob R. v. Franck. Die Sammlung, die er in seinem Hause Untere Bräu- nerstraße 1125 (heute Bräunerstraße 5) beherbergte, bestand in der Hauptsache aus Porträts und war, wie Böckl in „Wiens lebende Schriftsteller, Künstler und Dilettanten im Kunstfach“ bemerkt, besonders wegen der Schönheit der Abdrücke vor der Schrift und