Internationale $ammler-2eifun0 Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde Herausgeber: Norbert Ehrlich 28. Jahrgang 15. November 1937 Nr. 17/18 Die Pacher-Madonna der Sammlung Fischer. Von Dr. Franz Kieslinger (Wien). Es ist in Wien ein seltenes Ereignis, daß be deutende Stücke mittelalterlicher Plastik im Auk tionshandel auftauchen. Fast alle wichtigen Skulptu ren der letzten Jahre — es sind deren nicht wenige — sind gleichsam hinter verschlossenen Türen ver handelt worden. Die Ursache lag darin, daß sich der öffentliche Haupthandel mit Dingen der Plastik in den beiden vorigen Generationen in Innsbruck und Salzburg abspielte. Schon im vorigen Sommer glückte es dem Dorotheum aus Innsbruck einen größeren Pri vatbestand mittelalterlicher Plastik, der zur Auflö-, sung kam, zur Auktion zu erhalten. Der Erfolg war unter den gegebenen Verhältnissen günstig. Weit wichtiger aber ist nun die Auktion, die das Dorotheum am 19. und 20. November ver anstaltet, da sie neben zahlreichen bedeutenden Skulp turen ein Hauptstück österreichisch-deutscher Plas tik von Michael Pacher enthält. Es handelt sich um den Nachlaß des verstorbenen Salzburger Samm lers Prof. Adolf Fischer. Seit vielen Jahren hat er seinen Bestand emsig gehütet und sich selbst durch große auswärtige Anbote nicht zum Verkauf von Einzelstücken bewegen lassen. Die Besichtigung dieses Bestandes an mittelalterlicher Plastik gehörte zu den oft gerne besuchten Salzburger Sehenswür digkeiten, denen am selben Orte nichts ähnliches im Privatbesitz zur Seite stand. Die schöne Ma donna der Sammlung Fischer (siehe die Abbildung Fig. 1) war wohl nebst der im 19. Jahrhundert grausam verstümmelten Marienstatue der Franziska ner Kirche die populärste gotische Figur in Salz burg; allenthalben konnte man Ansichtskarten die ses Stückes sehen, die allerdings seinen Reiz kaum ahnen ließen. Anläßlich der Katalogisierung für die Auktion konnte der längst daran haftende Meistername von Michael Pacher erstmalig mit triftigen Gründen bestätigt werden, während noch in der gotischen Ausstellung des Vereines der Museumsfreunde in Wien unsere Madonna trotz aller Bewunderung ohne spezifischen Namen gezeigt wurde und in der Folge zeit auch die Publikation in den christlichen Kunst blättern für Oberösterreick in der Zuschreibung auf eine ausdrückliche Namensänderung verzichtete. Der Beweis, der das Stück auf stilkritischem Wege dem Michael Pacher zuschreibt, — einen urkundlichen können wir ja nicht erhoffen — mündet zunächst in der Allgemeinfrage Pacher’scher Plastik. Wir wis sen natürlich, daß die Annahme des Schnitzers Mi chael Pacher eine äußerst wahrscheinliche Arbeits- hypothese ist. Selbst für den Altar von St. Wolf gang können wir — strikt genommen gar nicht be weisen, daß er von Pacher selbst geschnitzt wurde. Die dornige Pilatusfrage: „Was ist Wahrheit ?“ taucht ja immer bei dem mittelalterlichen Werkstättenbe trieb auf. Sämtliche Autoren, die sich in den letzten Jahren mit dem Thema ...Michael Pacher“ befaßt Jraben, sind der näheren Untersuchung seines Schnitz stiles recht sorgfältig aus dem Wege gegangen. Selbst eine ernsthafte Ableitung dieses gewaltigen plasti schen Phänomens nach seiner Entstehung wurde noch nicht ernsthaft versucht. Wenn wir beobachten, wie selbst die begabtesten tirolischen Meister der Schnitz kunst, noch ganz durchdrungen von dem Eindrücke „Pacherischer“ Plastik, rasch wieder zu lokalen Ge wohnheiten absinken, so müssen wir wohl den Ur- sprung des plastischen Pacherischen Stiles außer halb von Tirol suchen, wie groß auch seine Nach wirkung dort jemals gewesen sein kann. Meines Ermessens kommt zur Grundlage des Pacherischen Stiles einzig die alte erzbischöfliche Metropole von Salzburg in Betracht. Kein Zufall, daß sich einige der wichtigsten Pacherischen Dinge noch immer im Umkreise Salzburgs befinden. Der junge Geselle hat offenbar die Beziehungen angel knüpft, die dem reifen Meister als Aufträge in den Schoß fielen. Pacher war der bestbezahlte Schnitz künstler des deutschen Mittelalters, die Preise, die etwa Riemenschneider zur selben Zeit erhielt, sind daneben kläglich. So wie die Stilkritik aus seinen Tafelbildern mit und ohne Erfolg andere Hände, etwa die seines Bruders, auszuscheiden bemüht ist, so dürfte auch die gewaltige Schnitzleistung zumindest in der Ausführung mehreren, allerdings unerhört ge schickt ineinanderspielenden Händen zu verdanken sein. Ich betone dies, da das Gesellenproblem die Ein ordnung Pacherischer Plastik noch weiter erschwert. Wenn wir vom so sicher bezeugten Wolf gang-Altar nur den Kopf der knieenden Madonna und das Ma donnenköpfchen aus der Epiphanie in der Predella erhalten hätten, so kämen wir nie darauf, daß beide Stücke gleichzeitig einer Künstlerpersönlichkeit entstammen können. Wir müssen daher gleichsam zur Bestimmung