SACRUM. STIL UND INDIVIDUALITÄT. — WILHELM HOLZAMER. === S til ist der charakteristische Ausdruck einer Zeit im weitesten und tiefsten Sinne. Stil ist Klarheit. Was sich in längeren o der kürzeren Perioden vollständig geklärt hat, seinen befriedigenden Abschluss fand, das wurde Form. Darum ist Stil nicht nur Klarheit, sondern auch Ruhe. Deshalb aber muss er immer aus Tiefen kommen, aus Auf- wühlungen, die von unten herauf gegohren sind* Hinter jedem Stile steht das Volk. Mehr noch, es wird lebendig in ihm. Nur wenn dieser tiefste Puls in ihm schlägt, wenn er ein ganzes Zeitbewusstsein, das tiefste Verlangen und den heissesten Willen einer Cultur spiegelt und ihre mächtigste Sehnsucht erfüllt, hat er Lebensdauer und Widerstands kraft, trägt er ein Gepräge, das die schnelle Zeit nicht weg- verma ?* ^as fehrt z. B. augenfällig der „Rococo- war re i n höfisch; allerdings in diesem engen Kreise V* < aUSS ?k ö Pfe nc * unt * rückwirkend auf alle Formen und ' e J" a ^ n * sse * Aber es fehlte ihm der festeste Wurzelboden, und er konnte nur von kurzer Lebensdauer sein. Zwar ^ as Paradoxon: die Zeit selbst schlägt ihren Stil todt. Die Zeit ist ruhelos. Sie schafft beständig an ihrer Um- gestaltung. Das ist ihr Weiterschreiten und damit schneidet sie sich in ihr eigenes Fleisch. Sie setzt für das Erfüllte die neue Sehnsucht, sie setzt für das Erreichte das neue Ziel. VCf ^ ön 8 t s * e s ‘ c h selbst und gebiert den neuen vjLIST. Denn Stil ist auch Geist, und in erster Linie. Und wie <he Zeit und ihre Cultur, hat die Kunst ihren nie ruhen- * SC ^' Ein aber, der aus Tiefen gekommen un den Klarheit und Kraft gewordenen Geist eines Volkes spiegelt, kann eine Strecke mit der Zeit gehen, — wenn gleich auch oft absteigend — denn letzte Entwickelungs keime sind ihm immer noch nicht genommen. Innere Um wälzungen, die eine Periode vollkommen abschliessen und eine neue inaugurieren — etwas äusserlich Gewaltsames ist dabei nicht nothwendig — machen auch dem tiefstgebornen Stile ein Ende. Der Stil besteht dann nur noch als Form, vollkommen abgeschlossen. Diese Form hat nun etwas Todtes. Sie ist nur lebendig, wenn sie den Geist noch in sich birgt, wenn der Geist noch lebendig ist, der sie gezeugt hat. Man sehe sich nur danach um, sehe die TODTEN Formen in unserer Architektur, in unseren Einrichtungen und Möbeln. Nur Leute ohne oder mit total irregeleitetem Geschmack mögen an diesen „stilvollen“ Einrichtungen Gefallen finden, mögen sie zu täglichem Gebrauch benutzen und lebendiges Hin und Her, Bewegung, d. i. Leben, damit verbinden wollen. Manhat neuerdings nicht ganz misslungene Versuche der Modernisierung gemacht. Man stellt sich ja freilich damit eigentlich a priori ein gewisses Armutszeugnis aus; aber immerhin wird man die Erkenntnis der Wechselwir kung von Geist und Form bei solchen Versuchen aner kennen dürfen. Diese Wechselwirkung gerade muss uns bei allem Kunst- und Stilverstehen aber das Wichtigste sein. Viele, die heute Kunstgeschichte studieren, lernen nur, eigentlich recht theoretisch und äusserlich, wenngleich mit ein bisschen Anschauung verbunden, Kunstformen, Stilformen. Aber Deoorativer Entwurf y. Adolf Böhm