TIEFE SONNE. STUDIE. „Ja, ich entbehre etwas, bereue etwas. Wenn ich dich so schön sehe, kann ich mich fast ent sinnen, wie es war, zu lieben, sein Wesen in einem anderen aufgehen fühlen, sich an etwas schmiegen. Das war das Einzige, was Reichtum gab. Ich sammelte nicht genug davon, ich war müde und blind; es gab so vieles, das nicht von meiner Liebe erreicht wurde. Jetzt träume ich zuweilen von dem, das ich nicht zum Meinen machte, von jeder Sonne, die verschwand, ohne von meinem Blick geliebkost zu werden, von jedem Leben, an dem ich stumm vorüberging, jedem Lied, das ich nicht sang. Und ich komme mir arm vor, und friere vor Leere. Viel wärmer hätte ich mich ein spinnen können, viel weiter meine Arme und meinen Blick strecken. Ich hätte grösser sein können. Nur so sammelt man aus dem Vergänglichen, nur so erlangt man die schönste Ruhe. „Jetzt ist es bald vorbei mit dem Duft der Rose, schon klopft ihr Herz sachter. Sage, was du noch willst!" Leonzino streckte die Arme im Schmerz vor, und er rief in einem gewaltsamen Schrei: „Dich, dich will ich haben, deine Liebe. Deine Worte kühlen, aber deine Schönheit glüht und zündet. Ich habe nie zuvor gewusst, was Schönheit ist. Dich will ich in meinen Armen haben." Ihr Blick wurde wehmütig mild, aber leuch tete klarer als früher, der Busen hob sich, und die Hände schlossen sich fester um die Rose, wie um einer letzten Flamme Glut zu schützen. „Aber du hast mich ja, du hast mich ja in deiner Liebe. Du umfängst die Form, die der Augenblick gab, weil sie schön war, du schlangst Rosen um des ewig Wechselnden Erstarrung im ewig Schönen. Du hast mich ja. Sieh dort hinaus!" Und mit ihrer weissen Hand beschrieb sie einen Kreis vor sich, und Leonzino wandte sich und schaute. Da lag Florenz in dem gelben warmen Licht, das der Tag giebt, bevor er stirbt, weit schöner als zuvor, noch blumengleicher als zuvor. Ein Gitter leichter Wolken lag vor der Sonne, und die Strahlen spannten sich wie breite, lebende, klingende Stränge von dem blauen Gipfel eines Berges hinab übers Thal, und zwischen dem schwärzlichen Silberglitzern der Schatten leuch teten schlanke Türme und die lächelnden Wohn stätten der Menschen. Die Hügel trugen scharf leuchtende Kämme wie Wellen, die sich über einander türmen, hinter ihnen war die Nacht, und auf dem schönsten, auf Fiesoles Höhe ge wahrte man deutlich die Reihen der Cypressen, gleich schwarzen Flammen im Scheine. All dies