DIE NEUE BAUSCHULE (AUSSTELLUNG DER SCHÜLER OTTO WAGNERS) Es giebt Bauwerke, denen man sofort ansieht, dass sie gebaut worden sind, und solche, die aus- sehen, als wären sie von selbst emporgewachsen. Warum die eine Zeit mehr diese, die andere mehr jene Wirkung erstrebt, lässt sich hier nicht in wenigen Worten erklären; es genüge, die Thatsache hervorzuheben. Die Renaissance und vielfach die alten Römer bauen ihre Gebäude Schicht über Schicht auf; sie scheuen sich nicht, die Keilsteine der Bogen, die Quadern der Mauern, ja sogar Rand und Spiegel jedes Steines deutlich zu zeigen. Der Orient, das Mittelalter, die Barocke, vor allem aber schon die alten Griechen haben ihre Bauten wie durch inneren organischen Trieb aus der Erde herauswachsen lassen. Besonders die letzteren haben ihre fein geschliffenen Marmorquadern so ausgeklügelt über einander gebracht, dass von den Fugen keine Spur zu sehen war, und, wo das bei rauherem Material nicht anging, wurde alles mit gleichmässigem Stuck überzogen; dazu kam auch beim Marmor noch eine leuchtende farbige Schicht. Ebenso schwinden die gothischen Constructionsformen unter dem Zauberteppiche der Farbe. Die Oberfläche des Barockbaues mag aus Putz oder Haustein bestehen, künstlerisch ist das Ganze nur eine einheitliche bildsame Masse, die wie Thon unter den Händen des Künstlers neue Formen annimmt, bei denen man an den Stoff nicht denken darf. Im Griechenthume ist diese Richtung am reinsten im dorischen Stile ausgeprägt, jenem Stile, der im griechischen Mittelalter, ich meine, der Zeit von der dorischen Völkerwanderung bis zu den Perser kriegen, sich hauptsächlich ausgebildet und ver- MAX KLINGER = AM STRANDE