SEITE 6 WOHNUNGSKUNST HEFT 1 Architekt Hans HIoucal. Speisezimmer in der Wohnung des Künstlers. UBER DEN WANDEL DES WIENER GESCHMACKS IM WOHNUNGSWESEN WÄHREND DES VORIGEN JAHRHUNDERTS. VON OBERBAURAT ALOIS WURM-ARNKREUZ. T)ER Beginn des vorigen Jahrhunderts lag noch im Zuge der zweitausendjährigen Weltstiltradi' tion: in der ganzen zivilisierten Weit, also auch in Wien herrschte unbestritten der Empirestil, im Kirchen- wie im Palastbau, in den Formen der kleinbürger lichen Wohnbauten wie in jenen der WohnUngs- ausstattungen. So sehr dieser heroische Stil stets großzügige imposante Wirkungen anstrebte und selbst die Möbel zu prunkvollen Monumenten umbildete, so wußte er doch bei bescheidenen Aufgaben, gleich seinen Vorgängern, weise Maß zu halten und haupt sächlich durch edle Klarheit und schöne Verhältnisse, mehr durch Tafel-und Rahmenwerk als durch Säulen- und Pilasterwerk, höchst befriedigende Erfolge zu erzielen, wie dies viele reizende Beispiele in den Vorstädten und Vororten Wiens sowie in zahlreichen österreichischen Kleinstädten, Steyr, Gmunden usw., zeigen. Nichtsdestoweniger behalten aber auch die bürgerlichen Möbel und Wohnungsausstattungen immer noch den monumentalen Zug, ohne aber dabei wie anderwärts in eine mitunter plumpe Schwer fälligkeit zu geraten. Kühne, antikisierende Alle gorien, Symbole der Kraft, der Herrschaft und des Schutzes, Adler, Löwe, Stier- und Widderköpfe, Sphinxe und Medusenhäupter, sowie hochtönende Farben und Farbenkontraste, Rot, Grün, Blau, Gelb, Schwarz, Gold und Silber waren sehr beliebt. Grell hoben sich die Schärpen und Gürtel von den weißen, dekolletierten, an der Taille hochgefaßten, antik wallenden Frauengewänden, sowie die schweren Stoffe der Möbelbezüge und Tapeten von dem goldverzierten Weiß derTüren, Fensterrahmen undLamberien, sowie auch von den mit Ebenholz- und Bronzeeinlagen ausgestatteten Mahagonimöbeln und Goldrahmen ab. Die Mahagonibettstätten meiner Großeltern hatten an den Vorderteilen reizende grünoxydierte, bronzene —