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gegen Osten mit Grabkammern besetzt ist. Hier wurden auch die an Kunstwerth weitaus
wichtigsten Fundstücke Kärntens, beide ans Bronze und heute im kaiserlichen Museum zu
Wien, ausgegraben. Das eine ist ein Greif mit mächtig ausgebreiteten Fittichen, einst zu
einer Statue des Apollon gehörig. Aus diesem Zusammenhänge erklärt sich erst Stellung
und Bewegung des Fabelthiers: die rechte Vorderpranke erhebend und den mächtigen,
mit zackigem Kamme versehenen Adlcrkopf emporwendend, lauscht es gespitzten Ohres
dem Gesänge des Gottes und dem Klange seines Zitherspieles. Schätzen wir in diesem
Stück ein schönes Beispiel römischer Bronzetechnik, so gibt sich dagegen das andere als
ein echt griechisches Werk zu erkennen. Es ist das lebensgroße Standbild eines nackten
Jünglings, der in typischer Geberde die rechte Hand zum Gebete erhebt, wie um von
den Göttern Sieg im Wettkampfe zu erflehen. Auf seinem rechten Beine haben zwei Frei
gelassene. welche die schöne Statue offenbar in irgend ein Heiligthum weihten, ihre Namen
eingraben lassen: Aulus Poblicius Antiochns und Tiberius Barbius Tiberianus. Den
Namen der Barbier trifft man häufig auf norischen, namentlich kärntnischen Inschriften.
Sie scheinen ein schon sehr frühe aus Italien, vielleicht aus Aquileja, wo wir ihnen wieder
begegnen, eingewandertes Geschlecht zu sein, wie denn auch allen palaeographischen Kenn
zeichen nach die Inschrift der Bronze spätestens der augusteischen Zeit angehört. Dieses,
wie es scheint, untrügliche Zeugniß, sowie der Umstand, daß die Figur nach ihrer Auf
findung im Jahre 1502 von ihrer grünen Patina gereinigt und überfirnißt wurde, eine
Procedur, durch welche ihrer ursprünglichen Modellirung großer Abbruch geschah, haben
glauben gemacht, daß sie ein Werk des ersten vorchristlichen Jahrhunderts sei, und ihre
Werthschätzung wesentlich beeinträchtigt. Unbefangener Prüfung kann es aber nicht
entgehen, daß sie gleich den Bronzen aus Herculaneum, dem sogenannten Jdolino in
Florenz oder dem Dornauszieher im Capitol zu Rom ein griechisches Original ist, eines
der vielen Standbilder, die den Siegern in den Festspielen errichtet wurden, und wir irren
wohl kaum, wenn wir sie der Schule des berühmten peloponnesischen Meisters Polykleitos
aus dem V. Jahrhundert v. Chr. zusprechen. Wie wir aus alten Autoren und aus antiken
Nachbildungen seiner Werke wissen, hat derselbe zuerst gewagt, das volle Gewicht seiner
Figuren nur von einem Beine tragen zu lassen und das andere entlastete derart vom
Boden zu trennen, daß es ihn fast nur mit den Zehen berührt. Und ebenso kennen wir
die von ihm festgestellten Maßverhältnisse des menschlichen Körpers, nach welchen er und
seine zahlreichen Schüler ihre Gestalten gebildet haben. In dem einen wie in dem anderen
Betracht zeigt unsere Statue die für ihn charakteristischen Merkmale. Ohne Zweifel
wurde sie zu einer Zeit, in der so manche verarmte und herabgekommene griechische Stadt
ihre beweglichen Kunstschätze zu veräußern gezwungen war, von den beiden Donatoren,
deren Namen die Inschrift nennt, auswärts erworben und in das von den großen