MAK

Volltext: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild: Kärnten und Krain

58 
gegen Osten mit Grabkammern besetzt ist. Hier wurden auch die an Kunstwerth weitaus 
wichtigsten Fundstücke Kärntens, beide ans Bronze und heute im kaiserlichen Museum zu 
Wien, ausgegraben. Das eine ist ein Greif mit mächtig ausgebreiteten Fittichen, einst zu 
einer Statue des Apollon gehörig. Aus diesem Zusammenhänge erklärt sich erst Stellung 
und Bewegung des Fabelthiers: die rechte Vorderpranke erhebend und den mächtigen, 
mit zackigem Kamme versehenen Adlcrkopf emporwendend, lauscht es gespitzten Ohres 
dem Gesänge des Gottes und dem Klange seines Zitherspieles. Schätzen wir in diesem 
Stück ein schönes Beispiel römischer Bronzetechnik, so gibt sich dagegen das andere als 
ein echt griechisches Werk zu erkennen. Es ist das lebensgroße Standbild eines nackten 
Jünglings, der in typischer Geberde die rechte Hand zum Gebete erhebt, wie um von 
den Göttern Sieg im Wettkampfe zu erflehen. Auf seinem rechten Beine haben zwei Frei 
gelassene. welche die schöne Statue offenbar in irgend ein Heiligthum weihten, ihre Namen 
eingraben lassen: Aulus Poblicius Antiochns und Tiberius Barbius Tiberianus. Den 
Namen der Barbier trifft man häufig auf norischen, namentlich kärntnischen Inschriften. 
Sie scheinen ein schon sehr frühe aus Italien, vielleicht aus Aquileja, wo wir ihnen wieder 
begegnen, eingewandertes Geschlecht zu sein, wie denn auch allen palaeographischen Kenn 
zeichen nach die Inschrift der Bronze spätestens der augusteischen Zeit angehört. Dieses, 
wie es scheint, untrügliche Zeugniß, sowie der Umstand, daß die Figur nach ihrer Auf 
findung im Jahre 1502 von ihrer grünen Patina gereinigt und überfirnißt wurde, eine 
Procedur, durch welche ihrer ursprünglichen Modellirung großer Abbruch geschah, haben 
glauben gemacht, daß sie ein Werk des ersten vorchristlichen Jahrhunderts sei, und ihre 
Werthschätzung wesentlich beeinträchtigt. Unbefangener Prüfung kann es aber nicht 
entgehen, daß sie gleich den Bronzen aus Herculaneum, dem sogenannten Jdolino in 
Florenz oder dem Dornauszieher im Capitol zu Rom ein griechisches Original ist, eines 
der vielen Standbilder, die den Siegern in den Festspielen errichtet wurden, und wir irren 
wohl kaum, wenn wir sie der Schule des berühmten peloponnesischen Meisters Polykleitos 
aus dem V. Jahrhundert v. Chr. zusprechen. Wie wir aus alten Autoren und aus antiken 
Nachbildungen seiner Werke wissen, hat derselbe zuerst gewagt, das volle Gewicht seiner 
Figuren nur von einem Beine tragen zu lassen und das andere entlastete derart vom 
Boden zu trennen, daß es ihn fast nur mit den Zehen berührt. Und ebenso kennen wir 
die von ihm festgestellten Maßverhältnisse des menschlichen Körpers, nach welchen er und 
seine zahlreichen Schüler ihre Gestalten gebildet haben. In dem einen wie in dem anderen 
Betracht zeigt unsere Statue die für ihn charakteristischen Merkmale. Ohne Zweifel 
wurde sie zu einer Zeit, in der so manche verarmte und herabgekommene griechische Stadt 
ihre beweglichen Kunstschätze zu veräußern gezwungen war, von den beiden Donatoren, 
deren Namen die Inschrift nennt, auswärts erworben und in das von den großen
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.