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Volltext: Monatszeitschrift I (1898 / Heft 1)

Beginne der neuen europäischen Cultur hatte sich der Stil, der der 
herrschende für alle civilisirten Völker werden sollte, immer wieder 
von einem Cemrum ausgebreitet, war von einem Volke, wenn man 
so sagen darf, erfunden worden, war ausgewandert und hatte sich 
fremden ethnischen, klimatischen und socialen Bedürfnissen unter- 
worfen oder angeschmiegt. Dürfen wir uns wundern, wenn sich 
heute, wo durch täglich sich häufende technische Erfindungen das 
moderne Leben umgestaltet wird, wo neue sociale Probleme, fast 
der einzige Gegenstand der Politik, Lösung suchen und nach Lösung 
drängen, wo alles darauf deutet, dass eine neue Periode der europäischen 
Geschichte begonnen hat, dürfen wir uns wundern, sage ich, wenn 
sich heute das alte Phänomen der Stilbildung wiederholt, wenn wir 
wieder einen nationalen Stil durch die ganze Welt wandern sehen, 
überall freudig, ja mit Enthusiasmus aufgenommen. Die Bewegung 
war nicht von den Gewerbemuseen und nicht von den Kunstschulen 
ausgegangen, wo überall, während die neue Richtung Künstler und 
Kunstfreunde schon mächtig anzog, noch die Tendenzen der voraus- 
gehenden Periode mit ihrem Nachempfinden alter Stilarten sorgfältig 
gepflegt wurden. Sie war von der grossen Kunst ausgegangen, vor 
allem der Malerei, die in unseren Tagen wieder so herrlich aufblühte, 
wie nicht seit den Tagen Rembrandts und Velasquez'; ihr war die 
hohe Entwicklung der Technik begegnet, die bei ihren Eisenconstruc- 
tionen, bei ihrem Schiffsbau und bei ihren Eisenbahnen die alten 
Stilgebilde nicht mehr brauchen konnte. In England, wo die moderne 
Malerei schon in der Mitte des vorigen Jahrhunderts in Hogarth 
ihren Begründer gefunden hatte, in England, von wo aus sich die 
grossen technischen Erfindungen verbreiteten, hatte man schon zu einer 
Zeit, wo im übrigen Europa der Zopfstil und das Rococo Geräth und 
Möbel im Sinne der herrschenden Baustile umgebildet hatte, diese 
Formen wenig beachtet, sondern zuerst das Möbel den modernen, sich 
eben bildenden Bedürfnissen entsprechend construirt und dann im 
Laufe diesesjahrhunderts eine Umbildung aller Geräthe und Ornamente 
durchgeführt. So kann sich das ]ahrhundert an seinem Ende eines neuen 
einheitlichen Stiles in hoher Kunst und in angewendeter Kunst erfreuen, 
der wie in den alten Hochzeiten der Geschichte wieder die Künstler 
und das geniessende Publicum zu einer grossen begeisterten Gemeinde 
vereinigt. 
Da wird es nun überall dort, wo man in den Kunstgewerbemuseen 
hinter der modernen Bewegung zurückgeblieben war, nöthig sein, die 
Sammlungen im Sinne dieser Bewegung zu ergänzen. Es wird für 
jeden einzelnen Zweig der Kunstindustrie die Akme, die reichste Blüte
	        
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