vor sich ging. War der erfindende Künstler - und das ist bei sehr vielen
der Fall gewesen - nicht in der Lage, sein Werk selbst für den Holz-
schneider in die entsprechende Zeichen-Technik zu übertragen, so
ging seine Arbeit vor dem Drucke durch die Hand zweier Interpreten.
Was dann von individueller Ausdrucksweise übrig blieb, hing rein nur
von diesen beiden ab. Seit die Photographie hier überall eingriff, ist
es wesentlich anders geworden. Sie gibt die Handschrift so wie sie ist,
nicht besser, nicht schlechter, vielleicht oft etwas abgeschwächt (davon
später), sie ist zum zwingenden Umstand für das Facsimile geworden.
Sie hat aber nicht bloss nach dieser Seite eine Umwälzung fundamen-
taler Art nach sich gezogen, sie hat auch in unzähligen Fällen den
Künstler selbst, ob er es wollte oder nicht, in neue Bahnen gedrängt.
Über den guten oder gegentheiligen Einfluss der Photographie
auf die Kunst im allgemeinen sich auszulassen, ist dies nicht der
Ort. So viel steht fest, dass sie dem illustrirenden Künstler, und mit
diesem haben wir es hier in allererster Linie zu thun, zu ungleich
schärferer Beobachtung der Wirklichkeit zwang, als sie früher gang
und gäbe war. Freilich, ein Menzel zeichnete seine Illustrationen zum
Leben Friedrichs des Grossen schon mit einer sozusagen photographi-
schen Schärfe, lang ehe die Camera in den Dienst des Illustrators trat.
Aber Menzel war eben Menzel und neben ihm gab es keinen anderen
von gleich scharfem Beobachtungsvermögen für die gesammte
Erscheinungswelt. Heinrich Lang, der geniale Zeichner, stellte
Bewegungsmomente am Pferde fest, deren Richtigkeit später durch
die Momentphotographie erwiesen wurde, indes sind solche Fälle
äusserst selten geblieben. Das künstlerische Benützen der Photographie
erst hat zu manchem geführt, was vordem einfach nicht existirte; es
hat vor allem den Anstoss zu einer verallgemeinerten Präcisirung der
Form gegeben und damit die Ansprüche speciell im Gebiete des
Illustrationswesens nach vielen Seiten hin erhöht. Wir geben uns
heutzutage, zumal wo es sich um ganz concrete Erscheinungen
handelt, nicht mehr mit dem „ungefähr so", wie es noch vor dreissig
Jahren genügte, zufrieden; wir verlangen scharfe Charakteristik und
wäre sie auch nur durch ein paar Striche gegeben, wir verlangen sie
selbst da, wo kein actueller Gegenstand vorliegt. Was andere Zeiten
durch die unausgesetzte Schulung des Auges erreichten, wir gewannen
es - ein wenig schmeichelhaftes Factum - wieder durch die Ver-
mittlung des maschinellen Sehens. Daraus ist nach und nach eine
Rückwirkung auf das künstlerische Sehen (starke Individualitäten
gingen natürlich trotzdem ihre eigenen Wege, indes sind sie ja
„Ausnahme-Fälle") überhaupt entstanden, die den diesbezüglichen