MAK

Volltext: Monatszeitschrift I (1898 / Heft 3)

Grossmutter schlafen sie endlich sorglos ein, von den Spielen auf der 
Wiese müde zurückgekehrt. 
Reich und vielgestaltig, vollkommen individuell ist der Schmuck 
seiner Rahmen, die stets in feingefühltem, tiefsinnigern Zusammen- 
hang zu dem Inhalte des Bildes stehen. 
Hans Thoma hat die weitgehendsten decorativen Interessen. So 
hat er kürzlich der neubegründeten Scherrebeker Webeschule einen 
Teppich gezeichnet, so interessirt er sich für die moderne, auf 
nationaler Grundlage erwachsene Töpferei. Er hat in souverän 
freiem Schaffen in einem Frankfurter Kaffeehaus ein geradezu muster- 
giltiges decoratives Deckengemälde geschaffen, das von den Meisten 
missverstanden wurde. 
Bei Thoma wird man vergebens nach der herkömmlichen 
„Schönheit" der Formen, des Gesichtes und der Gestalten suchen. 
Die Schönheit ruht in ihnen, und wer sie „herausreisset", der wird 
die innere Süssigkeit dieser echten hohen Kunst beglückt geniessen. 
Wie bei Dürer und Rembrandt ist echt deutsch bei Thema die wahre 
Herbheit der Linie, die Schärfe und Ehrlichkeit der Charakteristik. 
Das ist das stolze Eigenthum der nordischen Kunst, und so lange 
sie Künstler wie Dürer, Rembrandt, Shakespeare, Thoma hervor- 
gebracht, darf sie gleichberechtigt neben der italienischen Schwester 
bestehen. ' 
Thorna's schlichte treue Landschaftsschilderung mit der uner- 
messlichen Tiefe des Blickes und der genialen Verbindung der glück- 
lich wiedergegebenen Gesammtstimmung mit der liebevollen Freude 
am Detail ist echt deutsch und echt Thoma, denn sie ist ohne Vor- 
läufer und ganz aus sich geworden. Es ist auch schwierig, den 
unendlichen Reiz seiner Landschaften wiederzugeben, wenn ein 
Schwarzwaldquell den Tannenwald herunterrauscht, umgeben von 
ginsterbewachsenem Rasen, wenn er den Frühling oder den Sommer 
schildert. Es gibt eine Landschaft „Oberursel" im Taunus darstellend 
aus dem Jahre I8g6. Friedlich liegen Wald und Dorf, ruhig grast 
die Herde unter der Obhut des Hirten. Eine schöne Feiertagsmahnung 
liegt über dem Ganzen. Ein weiches träumerisches Sehnsuchtsgefühl 
nach einem Jugendsonntag auf dem Dorfe erfasst uns, im brausenden 
Leben der Stadt die Sehnsucht nach der Heimat, dem Rauschen der 
liebvertrauten alten Linde, dem Dufte ihrer Blüten. 
Thomas Farbe ist erdenfröhlich, klar, warm, gesund und frisch. 
Sie lacht und jubelt wie die Naturfreude des Künstlers selbst. Ihm ist 
die Farbe wie Böcklin ein individuelles schillemdes Gewand, in das er 
seine Träume kleidet. „Und das ärgert uns're Alten" singt Hans Sachs.
	        
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