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KUNST UND KUNSTGEWERBE AUF DER
WELTAUSSTELLUNG ZU ST. LOUIS (II.) 54b
VON KLARA RUGE-NEW-YORK 54h
T ALIEN. Die Produkte in Kunst und Kunst-
gewerbe, die uns dieses Land gesandt hat, sind
von sehr ungleicher Natur. Sowohl was deren
Kunstwert als was deren Stil anbelangt. Das
Regierungsgebäude ist ein sehr edler und
harmonischer und anmutiger Renaissancebau,
der gegen die amerikanischen konventionellen
Renaissancepaläste auf dieser Ausstellung
höchst günstig auffällt und zugleich eine wirk-
liche Belebung jener vergangenen Zeiten voll
Lebensfreude und Lebenskunst. Architekt
Giuseppe Somaruga hat das Gebäude errichtet, das aber im Innern lange
durch seine Leere den freudigen Eindruck der äusseren Ansicht wettmachte,
besonders da der einzige Schmuck, zwei sehr mittelmässige Porträts des
Königspaares, nur dazu diente, die Harmonie zu stören. Schliesslich sind
Bronzen, Kopien aus dem Neapeler Museum dazu gekommen, die das
Zollamt überlang zurückgehalten hatte.
Von Somaruga rühren auch die Entwürfe für die geschmackvollsten
Möbel her, ebenfalls reine Renaissance, die in den Sälen der italienischen
Kun stausstellung Raum gefunden haben. Die anderen -- und sehr zahl-
reich en - Möbel, welche im Manufakturpalast ausgestellt wurden, sind sehr
überladen und neigen fast alle dem Barockstile zu. Einzig die Produkte der
„So cieta Aemilia Arts" machen eine Ausnahme. Auch sie repräsentieren reine
Ren aissance. Moderne Formen findet man in der italienischen Möbelproduk-
tion nicht, ausser in einigen Stücken „Nouveau Art" von Cutler und Girard
in Florenz. Man hält sich an historische Stile und in der Renaissance wird das
Sch önste geleistet. Auch Stickereien in diesem Stil sind in grosser Schönheit
vorhanden.
Die Keramik zeigt eine Neuheit, das heisst eine solche für uns,
denn ich höre, die Turiner kunstgewerbliche Ausstellung verlieh jenen Pro-
dukt en schon erste Preise, nämlich Majoliken, die einen metallischen Lüster
aufweisen und deren Dekorationen nicht mehr wie früher ausschliesslich
tiguralischer Natur sind, sondern Pfianzenmotive zeigen. Die Manifattura
di Fontebuoni in Florenz stellt sie aus, auch die Ceramica Hermann sandte
ähnliche. Hier hat Renaissanceimitation moderner Erfindung Platz gemacht.
Im allgemeinen weist aber das italienische Kunstgewerbe - soweit wir es
in St. Louis unter Urteil bekommen - wenig moderne Tendenzen auf
und zeigt sich am besten, wenn es in Renaissanceformen verbleibt. Denn
sonst, wenn der Einiiuss der alten Schönheitsideale fehlt, scheint sehr leicht
ein überladener, nicht feiner Geschmack Platz zu greifen, wie er sich
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