Ich weiss nicht, ob Thoma mit Marees je zusammengekommen
ist. Bilder von ihm hat er sicher gesehen bei seinem Freunde Fiedler
sowohl, als bei Hildebrand, Marees' Schüler, in dessen Atelier in
Florenz Thoma einige Zeit malte. Eine Beeinflussung im gewöhn-
lichen Sinne erscheint mir ausgeschlossen, es dünkt mich mehr die
Erweckung gleicher bisher schlummernder Gefühle zu sein.
Der Ältere hat dem jüngeren den Weg geebnet. Ihre innere
Verwandtschaft ist eben ihre Verwandtschaft. Sie sind beide monu-
mental und stünden ihnen Wandflächen zur Verfügung wie Giotto
und Masaccio, wie Ghirlandajo und Mantegna, so hätten sie einen
grossen modernen Freskostil geschaffen, einen Stil voll blühender
Schönheit, anbetender Naturliebe und jauchzender Daseinsfreude.
Das lassen ihre wenigen Werke ahnen, die Wandmalereien von
Marees in Neapel, die Thoma's in Frankfurt, das lassen ihre Bilder
ahnen, das beweisen Thoma's einzig geartete Aquarelle. Daseins-
freude, verklärende schönheitsdurstige Daseinsfreude auf einfache
grosstönende Accorde in Natur und Menschenthum reducirt, von der
Cultur sich abwendend, so könnte man es bezeichnen. Der seltsame
geliebte Zauberer Giorgione hat Ähnliches gemalt.
Deutlicher als jede litterarische Charakterisirung dieser Kunst
sprechen Marees' Bilder in Schleissheim: Die „I-Iesperiden", drei
nackte ernste Frauengestalten unter Bäumen, „Drei Jünglinge", das
„goldene Zeitalter", Bilder voll ergreifender wehmüthiger Sehnsucht
und seliger Ruhe, losgelöst von Ort und Zeit, dahinträumend, eins
mit der Natur, die sie umgibt und ernährt. Marees ist typischer,
der Antike verwandter; bei Thoma, dem Sohn des Schwarz-
waldes, ist diese Daseinsfreude durchaus national, mit der Scholle
verbunden, nicht mit der der heimatlichen Berge allein, sie ist zu
Hause gleicherweise im Taunus, wie auf der rothen Erde, wie an der
Nordsee, weil sie gerrnanisch ist in jeder Note ihres symphonischen
Wesens. Thoma ist glücklicher und viel reicher als Marees, weil er
den festen Boden des urangestammten Volkstammes unter sich hat,
auf dem Schongauer, Dürer und Rembrandt gewandelt waren. Einst
hatte Marees ähnlich empfunden. Von Wenigen beachtet hängt von
ihm, der einen „Tod Schills" gemalt, in der Galerie des Grafen
Schack ein Bild vom Jahre r864, aus seiner voritalienischen, aus
seiner Münchener Zeit, in dem er bereits den grossen Grundaccord
zwar verhüllt für die meisten Augen und noch tastend, mit fremder
Fonnensprache anschlägt. Es ist ein Bild voll feiner Farbenempfin-
dung, „Ein Knecht, Pferde in die Schwemme treibend". Das Bild
spricht uns altrneisterlich an, es ist aber bereits ein echter Marees,