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Volltext: Monatszeitschrift I (1898 / Heft 3)

Ich weiss nicht, ob Thoma mit Marees je zusammengekommen 
ist. Bilder von ihm hat er sicher gesehen bei seinem Freunde Fiedler 
sowohl, als bei Hildebrand, Marees' Schüler, in dessen Atelier in 
Florenz Thoma einige Zeit malte. Eine Beeinflussung im gewöhn- 
lichen Sinne erscheint mir ausgeschlossen, es dünkt mich mehr die 
Erweckung gleicher bisher schlummernder Gefühle zu sein. 
Der Ältere hat dem jüngeren den Weg geebnet. Ihre innere 
Verwandtschaft ist eben ihre Verwandtschaft. Sie sind beide monu- 
mental und stünden ihnen Wandflächen zur Verfügung wie Giotto 
und Masaccio, wie Ghirlandajo und Mantegna, so hätten sie einen 
grossen modernen Freskostil geschaffen, einen Stil voll blühender 
Schönheit, anbetender Naturliebe und jauchzender Daseinsfreude. 
Das lassen ihre wenigen Werke ahnen, die Wandmalereien von 
Marees in Neapel, die Thoma's in Frankfurt, das lassen ihre Bilder 
ahnen, das beweisen Thoma's einzig geartete Aquarelle. Daseins- 
freude, verklärende schönheitsdurstige Daseinsfreude auf einfache 
grosstönende Accorde in Natur und Menschenthum reducirt, von der 
Cultur sich abwendend, so könnte man es bezeichnen. Der seltsame 
geliebte Zauberer Giorgione hat Ähnliches gemalt. 
Deutlicher als jede litterarische Charakterisirung dieser Kunst 
sprechen Marees' Bilder in Schleissheim: Die „I-Iesperiden", drei 
nackte ernste Frauengestalten unter Bäumen, „Drei Jünglinge", das 
„goldene Zeitalter", Bilder voll ergreifender wehmüthiger Sehnsucht 
und seliger Ruhe, losgelöst von Ort und Zeit, dahinträumend, eins 
mit der Natur, die sie umgibt und ernährt. Marees ist typischer, 
der Antike verwandter; bei Thoma, dem Sohn des Schwarz- 
waldes, ist diese Daseinsfreude durchaus national, mit der Scholle 
verbunden, nicht mit der der heimatlichen Berge allein, sie ist zu 
Hause gleicherweise im Taunus, wie auf der rothen Erde, wie an der 
Nordsee, weil sie gerrnanisch ist in jeder Note ihres symphonischen 
Wesens. Thoma ist glücklicher und viel reicher als Marees, weil er 
den festen Boden des urangestammten Volkstammes unter sich hat, 
auf dem Schongauer, Dürer und Rembrandt gewandelt waren. Einst 
hatte Marees ähnlich empfunden. Von Wenigen beachtet hängt von 
ihm, der einen „Tod Schills" gemalt, in der Galerie des Grafen 
Schack ein Bild vom Jahre r864, aus seiner voritalienischen, aus 
seiner Münchener Zeit, in dem er bereits den grossen Grundaccord 
zwar verhüllt für die meisten Augen und noch tastend, mit fremder 
Fonnensprache anschlägt. Es ist ein Bild voll feiner Farbenempfin- 
dung, „Ein Knecht, Pferde in die Schwemme treibend". Das Bild 
spricht uns altrneisterlich an, es ist aber bereits ein echter Marees,
	        
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