MAK

Volltext: Monatszeitschrift I (1898 / Heft 4 und 5)

weder dem Auge Freude bereiten, noch dem Geiste besondere 
Befriedigung gewähren kann. 
Trotzdem können wir uns der Thatsache nicht verschliessen, dass 
die Masse der heutigen modernen Bauwerke einen commerciellen 
Charakter hat und die Geschichte ihres Zeitalters erzählt. 
Gleichwohl aber entwickelt sich nebenher langsam ein völlig 
verschiedener Typus; er gleicht nicht der alten Arbeit, indem er 
individuell statt collectiv sich zeigt. Dieser ganz wesentliche Unter- 
schied ist gleichwohl unvermeidlich. Die Zustände unserer Zeit machen 
es unmöglich, dass die Architektur das sei, was sie ehedem gewesen, 
der künstlerische Ausdruck einer Nation durch ihre Bauten und durch 
das gemeinsame, stets wachsende Geschick ihrer Handwerker. Der 
Meister-Maurer und Zimmermann mit ihren Organisationen bestehen 
nicht mehr und die Continuität des Gedankens und die traditionellen 
Methoden sind verloren gegangen. 
Es wäre zu umständlich, den Zusammenbruch, das Verschwinden 
der Handwerker-Ziinfte und das Wachsen der prädominirenden 
Stellung des Individuums als Zeichner und Constructeur der Gebäude 
auf seine Ursachen hin zu kennzeichnen - Zustände, welche aus dem 
freien Handwerker eine Art lebendiger Maschine gemacht haben. Wir 
haben hier nur mit Thatsachen zu rechnen. Der Architekt muss sich 
heute einer anderen Ausdrucksweise bedienen, wenn er Spuren seines 
Wirkens hinterlassen will, die zeigen sollen, dass das commercielle 
Element, wiewohl dominirend in unsern Tagen, den Geist der Archi- 
tektur nicht vernichtet, sondern nur in neue Bahnen gedrängt habe. 
So sehen wir, dass durch den Verlust traditioneller Methoden 
und das Verschwinden der geschickten Arbeiter die Architektur 
sich nothwendigerweise zu einer individuellen Kunst gestaltete; der 
Architekt wurde der Zeichner von Bauten, der für die Verwirklichung 
seiner Pläne von der mechanischen Arbeit abhing, statt - wie 
ehedem -- der Leiter und das Haupt einer Vereinigung befähigter 
und begeisterter Arbeiter. Die geschickten Maurer, die fähigen Holz- 
und Metallschneider, in deren individuellem und collectivem Werke 
die lebende Architektur wurzelte, wurden durch Leute ersetzt, deren 
Fähigkeiten, wie bedeutend sie auch mitunter sind - da sie nicht von 
ihren Trägern dirigirt werden - für die Architektur verloren bleiben. 
In dieser Richtung, wie in manch anderer Beziehung unter- 
scheidet sich die heutige Entwicklung wesentlich von Umgestaltungen 
früherer Epochen. Eingestandenermassen hat es sich bei diesen um 
die Neubelebung von Stilarten gehandelt. Man hat die bekannten 
Stil-Perioden der Architektur zu dem Zwecke studiert, um ihre
	        
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