Studie
Wer diese überschreitet, macht sich einer Vergewaltigung schuldig
und sündigt gegen selbstverständliche Stilbedingnisse. Die Natur ist
nicht da, um nachgemacht, sondern um künstlerisch nachgefühlt zu
werden. Ein Naturproduct in absolut anderer Materie realistisch nach-
machen wollen, heisst den einfachsten und leichtest begreiflichen Stil-
gesetzen direct den Rücken kehren. Stilgesetze wird es aber immer
geben, weil sie in unmittelbarstem Zusammenhange mit dem Material
stehen, mit dem man baut, das man schmiedet, giesst, webt, treibt,
meisselt, hobelt, das man zu Stickereien, zu Mosaiken, für Arbeiten in
Leder, Metall, Holz verarbeitet. Das zu verneinen, bringt nur die völlige
Unwissenheit, der Ungeschmack fertig. Wer aber das Kunstwerk,
heisse es wie immer es wolle, in seiner ganzen Wesenheit denkt, wer
sich über den Werdeprocess bis zum Schlusse klar ist, wird sich
vernünftigerweise nie gegen jene Nothwendigkeiten auflehnen, die
im Material begründet, mithin natürlich und vernünftig sind.
Bevor die hier auszugsweise wiedergegebene Überzeugung
Grassets weiter verfolgt wird, sei ein Punkt berührt. Er geht von der
Anschauung aus - womit er übrigens nicht allein steht - dass die
Malerei von dem Moment ab aufhörte, ihrem eigentlichen Zwecke
gerecht zu werden, da man die einfache lineare, durch Anwendung