MAK

Volltext: Monatszeitschrift I (1898 / Heft 6)

Dieses allgemeine Ergebnis bestätigt der geschulte Anatom (vgl. 
Münchener Medizinische Wochenschrift, 44, 35). Ihm geht das Herz 
auf, wenn er sieht, wie hier mit feinstem Verständnis die typischen 
Wuchsforrnen in verschiedenen Arbeitergestalten vorgeführt werden. 
An vierzig plastischen Darstellungen hat er keine einzige anatomische 
Unrichtigkeit aufgefunden. Gewiss aber liegt eine Absicht des Künst- 
lers vor, wenn er seine Industriearbeiter - z. B. in dem Relief „die 
Industrie" - mit auffallend hochschultriger Bauart darstellt, so dass 
der Armansatz hinten hinaufrückt, die Sehne des breiten Brustmuskels 
mit ihremAnsatz an den Oberarmknochen hoch und die Brustwarze tief 
gegenüber der quer verlaufenden vorderen Achselhüllenfalte zu liegen 
kommt - während er die Landleute mit steil abfallender Nacken- 
schulterlinie darstellt. Das sieht man bei dem Säemann, der soeben in 
der Arbeit begriffen ist, mit nach vorn gebeugter Körperhaltung aus 
seinem gefüllten Säetuch die Frucht auf den Acker zu streuen. In 
mustergiltiger Weise ist die gebeugte Wuchsform im ganzen Körper 
des Säemannes durchgeführt. Die Strecke auf dem Rücken von der 
Lendeneinbiegung bis zum Dornfortsatz des siebenten I-Ialswirbels ist 
lang, das Akromion ist nach vorne mitsammt dem Schulterring 
verschoben und auch die sogenannte Brustspitze (Apex thorac.), wie 
eine seitliche Betrachtung des Säemanns zeigt, hat sich von dem 
siebenten Halswirbel mitsammt dem Kappenmuskel nach vorne 
geschoben. Der breite Rücken, die flache Brust, die Verschiebung der 
Lothachse und dergleichen mehr kommen in ausgezeichneter Weise 
bei dieser Darstellung der vorgebeugten Körperhaltung zur Geltung. 
Diese Worte des begeisterten Anatomen, an die sich noch weitere 
eingehende Würdigungen einzelner Bildwerke Meuniers nach der 
anatomischen Seite hin anschliessen, machen uns, die wir auf 
anatomischem Gebiete nur verständige Laien sind, klar, wie tiefgehend 
Meuniers Naturstudium, wie umfassend seine Kenntnis des mensch- 
liehen Körpers ist, wie sicher er auf dem festen Boden steht, der allein 
vor Manier und Schablone schützt. Und bei dieser Wahrheit, welche 
Grösse, welche Einfachheit, welche Erhabenheit! Sehen wir da den 
ausruhenden Schmied: die Last seines Körpers ruht auf dem linken 
Bein; auf die linke Hüfte, die dabei heraustritt, stützt er die linke 
Hand, die rechte hält leicht die am Boden stehende Zange 
zum Fassen des Eisens. Das Antlitz ist beschattet von der zurück- 
geschobenen Ledermaske, die ihm beim Schmieden die Augen vor 
den sprühenden Funken schützt. So steht er in voller Ruhe des 
Augenblicks gewärtig, da die Arbeit wieder beginnt. Kann man diesen 
Augenblick der Ruhe wohl lebensvoller und überzeugender darstellen?
	        
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