aber andererseits bei dem blossen Naturalismus auch keine Befriedigung
finden. Alles Streben der letzten Jahrzehnte war ja überhaupt erst
darauf gerichtet, die Bedingungen für ein selbständiges, lebendiges
Erfassen der Natur zu schaffen.
Bei der Decoration, wo der bestimmte Zweck einen Rückhalt
bietet, ist uns das noch am ehesten gelungen. Wir begnügen uns da
nicht mehr mit der Anwendung von Formen eines bestimmten Stils -
bis zum richtigen Japanismus haben wir es glücklicherweise, nachdem
alle europäischen Stile durchgejagt worden sind, gar nicht einmal
gebracht ! sondern wir gehen von dem Begriff des Zweckmässigen
aus, ziehen die Natur des Materials und die Hilfsmittel der Technik
mit in Betracht, erstreben Durchbildung im Einzelnen und Geschmack
in der Anordnung des Ganzen.
In der Malerei sind der Schwierigkeiten mehr zu überwinden.
Die Vorbedingungen für ein richtiges Sehen der Farben in ihrem Glanz
wie in ihrer feinen Abtönung haben wir uns wohl bereits zum grössten
Theil geschaffen; auch für die Schärfe der Zeichnung steigert sich
fortgesetzt der Blick, wie das Aufkommen stets neuer zeichnerischer
Talente beweist; in Bezug auf technische Durchbildung und Ge-
schmack ist also der Fortschritt unverkennbar. Auch prägen sich
die Individualitäten der Künstler immer stärker heraus; ebenso
scheint der nationale Charakter der einzelnen Kunstschulen sich eher
zu verschärfen als zu verflachen. In ihrem Verfolgen eines unerreich-
baren Ideals, nämlich der unmittelbaren Naturnachahmung, kommen
aber unsere Künstler über das Gebiet der Studie, also des Dilettan-
tismus, mit wenig Ausnahmen nicht hinaus.
So sehr das auch mit dem Mangel an geeigneten Stoffen, nament-
lich aber mit dem Fehlen der für die Bethätigung monumentaler
Bestrebungen nöthigen Gelegenheiten zusammenhängt - denn die
Aufgaben dieser Art sind bisher fast ausnahmslos solchen Künstlern
zugefallen, die bereits auf eine bestimmte, sei es antikisirende, sei
es romantisirende Formensprache eingeübt waren oder die zum
mindesten durch die Art des Stoffes genöthigt wurden, sich einer
solchen Formensprache zu bedienen - endlich muss ein Weg
gefunden werden, der von der naturalistischen Studie unmittelbar
zum monumentalen Stil führt, ohne dass es der Umgiessung in die
Formen eines der bereits bestehenden historischen Stile bediirfte, die für
uns abgestorben sind, mit denen wir keinen Zusammenhang mehr haben.
Wie die japanische und ebenso jede grosse Kunst unserer eigenen
Vergangenheit das lehrt, ist solches nur möglich durch eine Abkehr
von der Natur nicht in den Einzelheiten der Darstellung, wohl aber