schüchtern tritt sie auf. Was in Deutschland und Österreich auf diesem
Gebiete neuestens geleistet wird, lehnt sich noch immer vorwiegend an
alte deutsche oder moderne englische Vorbilder an. Nur wenige Künstler
haben sich schon selbst gefunden. Aber dass doch überhaupt wieder
Künstler mitreden, sich des Buches annehmen und es nicht unter ihrer
Würde halten, Einbände, Vorsatzpapiere, Exlibris u. s. f. zu zeichnen,
ist schon ein erfreuliches und vielverheissendes Zeichen der Besserung.
Damit reiht sich die jüngste Zeit einer lang verflogenen, ruhmvolleren
Vergangenheit an, vielfach ihr ähnelnd, weit mehr noch von ihr
verschieden und doch unfähig, über das hinauszugehen, was jene
glanzvollen Tage der Kunsteinheit schufen.
Diesen inneren Zusammenhang, die geistige Entwicklung des
Buches als Kunstwerkes vom frühesten Mittelalter bis in unsere ganz
„moderne" Zeit darzulegen, war der Zweck der Brünner Buchaus-
stellung. Sie sollte in erster Linie unserem heutigen Schaffen ein
Ansporn sein. Sie sollte nur durch die Schönheit und Originalität
aneifern, nicht durch die Masse verwirren. Typen sollte sie vorführen,
die künstlerische Einheit jeder Epoche laut predigen, nach der wir
wieder ringen müssen.
Da es galt, zunächst die Entwicklung des Schriftwesens zu zeigen,
durfte die - streng genommen über den Begriff einer Buchausstellung
hinausgehende - Urkunde nicht fehlen. Zur Urkunde aber gehört das
Siegel wie das Amen ins Gebet. Sie beide zeigten sich in einer Reihe
ausgewählter Beispiele von vorwiegend localhistorischem Interesse.
Wie sich aus der Urkunde das kalligraphische Kunstwerk
entwickelt, erwiesen Geburts- und Wappenbriefe, Diplome und Lehr-
briefe, Zunftartikel und Meisterbücher, darunter das interessante, mit
zahlreichen Bildern geschmückte Buch der Grazer Bäckerinnung.
Das älteste Schriftstück auf der Ausstellung jedoch war ein dem
Kloster Admont gehöriges Bibelfragment, ein Blatt aus dem Propheten
Jeremias, vom 8. Jahrhundert. Daran schloss sich die lange Reihe der
mittelalterlichen Handschriften und Miniaturwerke, beginnend mit den
bekannten Admonter und Obrowitzer Evangeliarien aus dem X., be-
ziehungsweise XI. Jahrhundert, bis zu den bereits völlig zu Gemälden
ausgereiften Buchmalereien des XVI. Jahrhunderts. Ein köstlicher
Jubelgesang naiver, aus der Volksseele herausgewachsener Gestal-
tungskraft, ein Bild wogenden und kämpfenden Ringens nach dem
Urquell aller Kunst, der Natur, ein Farbenzauber, duftig und doch
kraftstrotzend, wie nur der Frühling ihn kennt.
Nicht blos auf den Künstler und Forscher, auch auf das mit
gemischten Empfindungen und etwas unklaren Vorstellungen in die