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hätte, eigentlich recht zeitgemäss ausgefallen. Ganz Wien war ja damals costümirt.
Durch Makart hatte die Wiener Neu-Renaissance, welche die ganze Kunst und
Kunstindustrie beherrschte, ihren glänzendsten Ausdruck erhalten. Alles war
hier damals verkleidet. Jede Privatwohnung schmückte sich makartisch und
wollte den Eindruck eines Malerateliers machen. Jedes Möbelstück war in den
Stil von vor zoo bis 300 Jahren verkleidet. Jede Dame trug den Rembrandt-Hut.
Beinahe konnte man sich wundern, dass nicht auch die Herren das Rubens-
Wamms trugen. Makart und Canon trugen sich auch persönlich apart, und noch
andere in der Künstlerschaft folgten ihrem Beispiele. Dieser durch und durch
costümirten Zeit entspricht nun die Makart-Statue ganz gut, sie macht eine
wichtige kunstgeschichtliche Episode wieder ad oculos lebendig. Da wird denn
das Befremdliche des ersten Eindrucks hinterher durch die historische Perspective,
in die sich das Standbild setzt, corrigirt. So ist die Sache besser ausgefallen, als
man ursprünglich erwarten mochte. Die Wirkung des Denkmals ist besonders
vornehm, wozu schon die Wahl des durchwegs weissen Materials, auch für den
Sockel, beiträgt. Dieser ist ganz einfach gehalten, ohne alles Profil- oder Rahmen-
werk. Nur eine leichte Verjüngung nach oben leitet zu der Plinthe der Statue
über. An der Vorderseite liest man bloss den Namen und die Jahreszahlen:
„Hans Makart. 1840-1884."
EIN JÜBELPANORAMA. Unter den patriotischen Veranstaltungen, die
das Kaiserjubiläurn im Gefolge hat, nimmt das historische Riesenpanorama,
das durch den Wiener Schriftsteller J. Schnitzer ins Leben gerufen wurde, eine
hervorragende Stelle ein. Es ist 15 Meter hoch und 1x5 Meter lang, der Durch-
messer des Kreises ist 36 Meter. Der Gedanke ist, die interessanten Persönlich-
keiten von der Geburt Kaiser Franz Josephs bis heute in einer umfassenden Revue
zu vereinigen. So machten es Stevens und Gervex in dem grossen Panorama:
„Geschichte des Jahrhunderts 1789-x88g", das jahrelang im Tuileriengarten
stand, und E. Ph. Fleischer in seinem Hohenzollernpanorama bei dem Lehrter
Bahnhof zu Berlin. Fleischer, von Haus aus Piloty-Schüler, dann in England und
Deutschland an Rundbildern thätig, ist auch der Künstler des Jubelpanoramas. Es
wurde daran über drei Jahre gearbeitet und es vereinigt bei 4ooo Bildnisse, zum
Theil nach der Natur. Der Kaiser selbst kommt darauf sechsmal vor: als
dreijähriger „Erzherzog Franz" an der Hand seines Grossvaters Kaiser Franz,
als elfiähriger Prinz im Prater, mit seinem militärischen Erzieher Hauptmann
I-lauslab, als Vermählter mit der Kaiserin, als gekrönter König von Ungarn auf
dem Königshügel, als Gehuldigter bei dem Festzug, wo Makart dem Künstler-
wagen voranreitet, und schliesslich inmitten unserer unmittelbaren Gegenwart, die
ihm eine Massenhuldigung bereitet. Politik, Finanz, Wissenschaft, Kunst, lndu-
strie, Schönheit, Curiosität, alles ist in dieser Versammlung vertreten. Als Schau-
platz dient ihr ein weitläufiges Terrassen- und Freitreppensystem, streckenweise
mit offenen Säulenhallen, Triumphbogen etc. überbaut, welche Durchblicke auf
episodische Scenen gestatten, aber auch Einschaltungen aus dem wirklichen Wien
der Vergangenheit und Gegenwart aufweisen. Stellenweise spielt die grüne Um-
gebung (Schönbrunn, Prater) darein, und das weitgedehnte Stadtbild mit seinem
Höhenkranze bildet den Hintergrund. An die Durchführung ist endlose Mühe und
viel technische Gewandtheit gesetzt. Der Kaiser selbst interessirte sich für das
Werk, und der Hof, sowie die Behörden haben es durch Rath und That unterstützt.
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