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AUS DEN WIENER GEMÄLDESAMM-
LUNGEN 51' VON THEODOR V. FRIMMEL-
IT Vorurtheilen setzt man sich schwieriger
auseinander als mit Überzeugungen. Da
ist's in unserem Falle ein heute so recht
verbreitetes Vorurtheil, dass Wien mit
Ausnahme der kaiserlichen Galerie und
der Fürstlich Liechtenstein'schen Sammlung
keinen bemerkenswerten Gemäldebesitz
aufzuweisen hat. Einige besonders gut
Unterrichtete lassen allenfalls noch die
leicht zugänglichen Sammlungen der Gra-
fen Harrach, Schönborn, Czemin und das
Liechtenstein-Zimmer im städtischen Museum gelten. Hie und da, nicht
allzu häufig, verirrt sich ein Wiener in die Akademie der bildenden
Künste und entdeckt dort zwei, ja noch mehr vortreffliche Rubens,
einen prächtigen Rembrandt, allerlei interessante alte Venezianer. Von
mehreren Tausend Bildern, die man hier in anderen Sammlungen
finden kann, wissen aber nur die wenigen aufmerksamen Beobachter,
die jahrelang mitten in der Gemäldebewegung, im Bilderhandel, unter
den Sammlern gelebt haben. Es ist ja richtig, dass Perlen der Kunst,
wie Rafaels Madonna im Grünen, wie der Ildefons-Altar des Rubens,
wie Dürers Allerheiligenbild (sie sind alle im Hofmuseum), wie der
Huythuysen vom älteren Frans Hals und die zwei Söhne des Rubens
vom grossen Vlamen selbst gemalt (diese in der Galerie Liechten-
stein), dass solche Perlen in den versteckten Wiener Sammlungen
nicht vorkommen; aber an guten Bildern von Meistern hohen Ranges
fehlt es auch da nicht. Viele Bilder von unleugbarer Bedeutung bei
Graf Lanckoronski, ein Reiterbildnis von Rubens, wohl den Herzog
von Lerma darstellend, bei der Gräfin Clam-Gallas-Dietrichstein, gute
Skizzen von demselben Meister in anderen Sammlungen, das Villiers-
bildnis von Van Dyck bei Jacob Herzog, ein kleiner Rembrandt in der
Galerie des verstorbenen Franz Xaver Meyer, ein besonders inter-
essanter Gerrit Dou bei Fürst Czartoryski, die Werke der beiden weit
bekannten Hals, des älteren Frans und des Dirk Hals, bei Baron Albert
Rothschild, der auch einen hervorragenden Boucher neben trefflichen
Engländern besitzt, die „Gemalte Galerie" vom jüngeren David Teniers
und gar vieles Andere bei Baron Nathaniel Rothschild, die Brueghels
bei Todesco, Werthheimstein, M. Strauss, der Philip de Konengk bei
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