bei uns konnte Strasser nicht
einmal alle seine Menschenbilder
zur Aufstellung befördern. Man
erinnere sich an seinen malen-
den Velasquez für eine Aussen-
nische des Künstlerhauses, der vor
Jahren als „rnisslungen" zurück-
gestellt wurde; ein elegantes,
malerisches Werk und echt
nischenmässig gedacht, während
die übrigen, die angenommenen,
eigentlich nur für Sockelauf-
Stellung taugen. Heute würde man
sie nicht ablehnen.
Ein Jahr nach dem Antonius
folgte wieder eine Darstellung aus
dem classisch-barbarischen Alter-
thum: „Myrina, Königin der Ama-
zonen." Es ist nicht die „sprung-
gewandte Myrina" bei Homer (I1.
II, 8x4), deren Grabhügel in der
Ebene von Troja bei den Menschen
Batieia heisst, sondern eine
Weibertürstin in Libyen. Es ist die afrikanische Tomyris, gross
im Kriege, wie diese Besiegerin des Cyrus. Myrina durchzog
erobernd den Westen und Osten, bis nach Kleinasien hinein, wo sie
viele Städte gründete, ja sie setzte sogar nach Lesbos und
Samothrake über, wurde jedoch zuletzt durch den Thraker Mopsos
und den Skythen Sypilos geschlagen. Myrina fiel und der Rest ihrer
Amazonen zog wieder nach Libyen zurück. Indem nun der Künstler
diese Libyerin gestaltete, bot sich ihm Anlass, classisch und negerhaft
zugleich zu sein. Er setzt seine Myrina auf einen steinernen Thronos
mit Fussschemel, und neben dem Sessel sitzen ihre zwei Leibtiger,
deren Ketten sie nachlässig in der einen linken Hand vereinigt hält.
Schon dies ist ein Symptom ausserordentlicher Kraft, wie denn jene
Amazonen in der That die Bändigerin der stärksten Thiere zur
Königin gewählt haben. Myrina ist ein Kraftweib, deren Embonpoint
an das der japanischen Ringer erinnert. Man denkt an die Termiten-
königin, die ein gar nicht mehr ameisengleiches, fleischiges Ungethüm
von besonderer Form ist. Myrina zeigt den afrikanischen Typus; ihr
Profil mit der kurzen Stülpnase, der vorstehenden Unterlippe, dem
Der Blick in die furchtbare Ewigkeit
(H. O. Mielhke)