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Volltext: Monatszeitschrift I (1898 / Heft 11 und 12)

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AUS DEM WIENER KUNSTLEBEN Sie 
VON LUDWIG HEVESI-WIEN 51b 
FÜNFZIG JAHRE ÖSTERREICHISCHER MALEREI. Im Künstler- 
hause ist jetzt die Jubelausstellung fortgesetzt, deren architektonischer 
Theil im Frühjahr den grossen Musikvereinssaal füllte. Etwa rooo Nummern 
stark, ist sie ein brauchbarer Auszug aus der österreichischen Malerei unter der 
Regierung Kaiser Franz Josephs I. Die jüngere Generation namentlich, welche 
die historischen und Nachlassausstellungen der Siebziger- und Achtziger-Jahre 
nicht mitgemacht hat, mag diese Gelegenheit ergreifen, um sich rasch einen 
Überblick der vaterländischen Farbenkunst zu erwerben. Andere werden es den 
Ordnern sogar Dank wissen, dass sie einen grossen Theil ihrer Ausstellung den 
stets zugänglichen öffentlichen Sammlungen entlehnt haben, da sie dadurch 
den Bequemen das Aufsuchen alles Einzelnen an verschiedenen Aufbewahrungs- 
orten ersparen. Der Bewanderte freilich hätte es lieber gesehen, wenn der 
unzugängliche Privatbesitz gründlicher ausgeschöpft worden wäre. Ohnehin sind 
der Ausstellung zwei Beschränkungen auferlegt. Sie enthält blos Todte und schon 
damit fällt auch die modernste Richtung weg. Aber die sogenannte Secession hat 
in Wien schon vor der Begründung der jüngsten „Vereinigung bildender Künstler 
Österreichs" existirt. Sie tritt in der Ausstellung des Künstlerhauses unter dem 
Namen Georg Ferdinand Waldmüller auf und gibt ein Menschenalter später an der 
Schwelle der neuesten Zeit mit Theodor von Hörmann (Reiflandschaft) ihre 
lauteste Note. In der historischen Perspective, wie sie sich hier ad oculos 
zusammenschiebt, liegt der Hauptreiz dieser rückwärts gewandten Bilderschau. 
Da schrumpfen längst gebuchte Werthe bedenklich ein, andere aber haben Zinsen 
getragen und sind erstaunlich gewachsen. In letzterer Hinsicht ist Waldmüller 
der Held der Ausstellung, denn sein absoluter Werth ist mächtig gesteigert. 
Dreiunddreissig Jahre nach seinem Tode steht er als ein Moderner da. So weit 
war er, ehe er starb, seiner Zeit vorausgeeilt. In seinen Streitschriften gegen den 
akademischen Lehrschlendrian stellte er schon damals die Forderungen auf, die 
jetzt das Programm aller „Secessionen" bilden. Wagte er es doch, direct die 
Aufhebung aller Kunstakademien zu fordern, da ein halbes Jahr Meisterschule 
genüge, das Talent zu erkennen und so weit zu bringen, dass es vor der Natur 
seine eigenen Wege gehen könne. Wie die Heutigen, sagte er: „Überall ist es der 
Geist, der aufgefasst werden soll, und überall ist es nur die Form, der man nach- 
strebt." Und zwar die abstrazfte akademische Form, während doch „das Studium 
des menschlichen Körpers nur nach der Natur begonnen und vollendet werden 
soll". (Ein Thema, das erst voriges Jahr die Berliner „Gegenwarw zum Gegen- 
stand einer hochinteressanten Umfrage bei den berühmtesten Künstlern gemacht 
hat.) Nur in einzelnen Punkten litten die Vorschläge Waldmüllers noch an der 
Enge der Zeit; so, wenn er gegen den Verkauf ausländischer Kunstwerke loszog. 
Er rechnete da mit der Geringfügigkeit der damaligen Kaufkraft. Diese Strömung 
musste auch im jetzigen Künstlerhause vor einigen Jahren erst eigens überwunden 
werden, und zwar gerade durch die Führer der heutigen Secession. Ohne die 
sogenannte „Concurrenz des Auslandes" müsste unsere eigene Kunst einschlafen 
und würde nicht mehr kaufenswerth erscheinen. Man wohnt soeben dem 
nämlichen Kampf im Osterreichischen Museum bei, wo das heimische Kunst-
	        
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