betreten, erwähnen wir nur noch, dass die vier Oberlichtlaternen des Daches,
deren Scheibenwände von 45' Neigung das denkbar beste Licht geben und zu-
gleich das Liegenbleiben von Schnee, Wasser und Staub unmöglich machen, auf
einer von Olbrich sehr geistreich erfundenen Eisenconstruftion ruhen. Überhaupt
ist das Dach mustergiltig und wird noch vom Ingenieur- und Architektenvereine
zum Gegenstand einer fachlichen Äusserung gemacht werden. Betritt man das
Haus, so gelangt man zunächst in eine Halle, die durch die einspringenden Kanten
der vier Pylonen die Form eines griechischen Kreuzes erhält und eine Rache
Decke hat. Über zwei flachen Bogen rechts und links ölTnen sich Galerien. Das
grünliche Licht, das diesen Raum erfillt, spielt über zwei grosse vergoldete Stuck-
reliefs (von Böhm), deren jedes einen alten, knorrigen, aber jung ausschlagenden
Baumstamm darstellt. Geradeaus hat man die dreitheilige Thüre zum Mittelsaal,
und darüber ein rundes Fenster von 2'5 Meter Durchmesser, das ein von Moser
entworfenes Glasgemälde (von Geyling) von mächtiger Wirkung enthält. Es stellt
die „Kunst" dar, ein prächtiges, blau geflügeltes Weib, in archaischer Gewandung,
mit buntem Edelgestein geschmückt, von gelben Blumen umblüht. Mit gekreuzten
Armen steht sie in der blühenden Wiese, blauen Himmel um sich. Die Umschrift
lautet: „Seine Welt zeigt der Künstler, die Schönheit, die mit ihm geboren wird,
die niemals noch war und niemals mehr sein wird." Schon in dieser Halle und
ihren Nebenräumen erkennt man, dass alle Räume farbig gedacht sind und sich
gegenseitig coloristisch heben. Die Wandbekleidungen, Decken und Fussböden,
die Durchblicke und Beleuchtungen tragen dazu bei. Der Hauptsaal ist vom da-
hinterliegenden Raume durch ein einstweiliges Arrangement von Säulenstümpfen
getrennt. Das Einstweilige gehört überhaupt zu den starken Seiten der Anordnung.
Sie ist in der That so gedacht, dass man Alles im Hause mit Leichtigkeit um-
ordnen kann. Die Räume sind so zu verschieben, dass zehn Jahre hinter einander
ganz verschiedene Eintheilungen möglich sind, und zwar nach Belieben mit
Oberlicht oder Seitenlicht. Diese Neuerung ist ein glänzender Erfolg des Grund-
satzes, dass der Zweck der Vater des Werkes sein muss. Das Licht der Schausäle
ist natürlich tadellos. Dabei enthält das Haus noch zahlreiche Nebenräume, die
alle auf das praktischeste eingerichtet sind. So im Souterrain die geistreich aus-
gestattete Redaction von „Ver Sacrum", eine photographische Dunkelkammer
nebst Entwicklungsraum, Depots für Bilder, Packräume, Dienerräume, die Heiz-
anlage. Gasheizung und elektrisches Licht sind selbstverständlich. Im Ober-
geschoss befinden sich gleichfalls grosse Räume für Sitzungen, Ateliers u. s. w.
Ungemein gediegen und „persönlich" ist das mannigfache Detail an Holz- und
Metallwerk im ganzen Hause. Die Thüren z. B. sind moderne Meisterwerke, von
einem reizenden Klopfer (Gurschner) angefangen bis zum Schild des Schlüssel-
loches. Grün gebeiztes Holz, kleine, zum Theil facetüerte Scheiben, durchlaufende
schlanke Blumenstengel aus Kupfer spielen da eine grosse Rolle. In Tapeten,
Vorhängen, Teppichen ergeht sich die moderne Phantasie nach Belieben. So ist
das Secessionshaus unstreitig ein Bau von hohem künstlerischem Interesse, der
in Wien einzig dasteht. Es wird in der Wiener Baugeschichte denkwürdig bleiben.
IE AUSSTELLUNG DER SECESSION. Die erste Ausstellung der
Secession im eigenen Hause hat die Fortsetzung des Erfolges, den der erste
Ausstellungsversuch im Frühjahr bei Kritik und Publikum davontrug. Die Grund-
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