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Internationale 
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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde. 
Herausgeber: Norbert Ehrlich. 
4. Jahrgang. Wien, 15. Mai 1912. Nr. 10. 
Sammler und Sammlungen auf tabakologischem Gebiete. 
Von Dr. Eduard Maria Sehranka (Wien). 
Wie auf allen modernen Sammelgebieten, gibt es 
auch hier vor allem Allessammler und Spezialsammler. 
Den Allessammler möchte ich im Gegensätze zu dem 
idealen, wissenschaftlichen Sammler, den praktischen 
nennen, denn bei ihm handelt es sich, wie auf anderen 
Gebieten, auch um die Verwertung der Abfälle. 
Der sparsame Raucher zum Beispiel, der eben nichts 
zugrunde gehen läßt, sammelt bekanntlich vor allem die 
Zigarrenspitzeln, wozu er allerhand Requisiten benützt. 
Mancher Rekord wurde darin schon geleistet. Der spar 
same Raucher sammelt auch das Virginierstroh, das zu 
Photographierähmchen, zu Bürsten u. a. verwendet wird. 
Er sammelt die seidenen Zigarrenbänder, welche eben 
falls zu allerliebsten Handarbeiten, wie Retiküles, Tabaks 
beutel, ja sogar zu kleinen Taschentüchern verarbeitet 
werden. Und er sammelt die sogenannten Zigarrenringe, 
auch Bauchbinden genannt, welche eine ganz neue 
Industrie, die sogenannten Havana-Arbeiten, ins Leben 
gerufen haben. 
Der wissenschaftliche Sammler auf tabakologischem 
Gebiete, der kulturhistorische Sammler, sammelt pro 
primo Rauchgeräte, Pfeifen aller Art samt allen Perti 
nenzen, Köpfen und Rohren, sowie die übrigen Requi 
siten, die zum Rauchgenuß gehören, Tabakgefäße, 
Tabaksbeutel, Pfeifenstopfer u. s. w. u. s. w„ oder, wenn 
er Schnupfer ist, sammelt er Dosen alier Art, oft von 
größtem Kunstwerte. 
Von berühmten Pfeifensammlern ist als einer der 
Ersten wohl William Bragge in Sheffield zu nennen, 
der eine einzig dastehende Sammlung von Tabakpfeifen 
und anderen Rauchwerkzeugen besaß. Es ist derselbe 
Bragge, dem wir die erste Sammlung der tabakologischen 
Literatur in seiner »Bibliothcca Nicotiana« verdanken. 
Auch der englische Historiker Thomas Carlyle 
besaß eine interessante Pfcifenkollcktion, und vom 
Philosophen Thomas Hobbes wurde geschrieben: »Le 
nombre de ses pipes etait incalculable.« Ebenso waren 
Tennyson und Tabakspfeife zwei unzertrennliche Be 
griffe, und König Eduard VII. hatte noch als Prinz 
von Wales Pfeifen aller Art gesammelt. 
Eine der berühmtesten Pfeifensammlungen aller 
Länder und Nationen, diverser Zeiten und verschiedent- 
lichsten Materiales besaß auch Nikolas Charles 
O u d i n o t, Herzog von Reggio. 
Wenn Moszkowski beständig Pfeifen ver 
schenkte, so geschah es nur, um das Pfeifenrauchen 
wieder in Mode und Schwung zu bringen. Hier war also 
nicht so sehr der Sammeldrang maßgebend, ebensowenig, 
wie beim Pfeifen-Millionär Heinrich F i b b e, dem ja die 
Erzeugung Geschäftssache war. 
Dagegen habe ich aber hier wieder Brinsley 
Sheridan zu nennen, der eine Bill glücklich zum Ge 
setze erhob, daß Raucher auf allen Eisenbahnzügen be 
sondere Rauchabteile haben sollten. Ihm wurden von 
dankbaren Rauchfreunden, seinen Wählern, über 5000 
Pfeifen zugesendet. 
Natürlich gelangt auch auf unserem Sammelgebiete 
die Sammelwut zum Ausbruch bis an das Verbrechen. 
So hat eine Kleptomane lange Zeit hindurch englische 
Klubs unsicher gemacht. Er besuchte jeden Tag mehrere, 
deren Mitglied er war, und annektierte jede Pfeife, deren 
er habhaft werden konnte. So fand man bei ihm eine 
Sammlung von mehr als tausend Pfeifen vor, die 
unbenützt, aber sorgfältig geordnet zusammenlagen. 
Aus Jules Vernes »Der Pilot an der Donau« ent 
nahm ich, daß R e g c n s b u r g eine merkwürdige Samm 
lung von Pfeifen als Sehenswürdigkeit besitzen soll. 
Rauchgeräte zu sammeln, hat übrigens ein großes 
kulturhistorisches und ethnographisches Interesse. Etwas 
anderes ist es mit dem Sammeln von Zigarren, das aber 
auch schon dagewesen ist. 
Der reiche und exzentrische Pariser Gourmet M. 
C h a t r i e n hat die Wände seines Rauchzimmers ganz 
mit Zigarren in jeder Sorte, Größe und Preislage bedeckt. 
Sie sind von ihm durch 40 Jahre lang gesammelt worden. 
Ein reicher Engländer in I^ondon hat wieder eine 
Sammlung von Mustern der Zigarren berühmter Männer 
zusammengetragen. Jedes Stück ist mit einer Nummer 
und einer Etikette versehen, die kurz den Namen des 
jenigen nennt, der diese Sorte zu rauchen pflegt. Nr. 3 
beispielsweise gehörte ehemals dem General Sir Evelyn 
W o o d, und gelangte in den Besitz des Sammlers ge 
legentlich einer Truppenparade. Nr. 5 war Eigentum des 
englischen Karikaturisten Harry F u r n i ß, der das Ge 
schenk mit einer kleinen Skizze seiner eigenen Persön 
lichkeit begleitete. Nr. 6, kurz mit dunklem Deckblatt, will 
unser Sammler durch einen Freund erhalten haben, der 
selbe aus dem Zigarrenetui des aus dem Dreyfus-Prozeß
	        
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