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Volltext: Monatszeitschrift II (1899 / Heft 2)

Geheimnis aller Kunstschöpfung, das Princip des harmonischen 
Wechselspieles durchgeführt und dem bereits von uns beschriebenen 
Doppelbalkon einen zweiten gegen den Klosterhof geöffneten entgegen- 
gesetzt hat. Die beiden von uns soeben besprochenen Treppen münden 
nämlich in den breiten Prälatengang und führen nach wenigen Schritten 
auf die Rampe vor dem Aufstieg zum Kaiserstock. Eine hohe offene 
Bogenstellung auf gekuppelten römischen Säulenpaaren sammt 
Balustrade gegen den Hof, rechts und links die zwei prächtigen Gitter- 
thore vor den Treppen zum Kaiserstock, machen diese Rampe zu 
einer majestätischen Loggia, wie geschaffen für eine fürstliche 
Persönlichkeit, der Schaulustigen Menge sich zu zeigen, Volksspielen 
beizuwohnen oder eine musikalische Huldigung entgegenzunehmen. 
' Die Treppenwangen des Kaisertractes hat Prandauer gleichfalls 
durchbrochen, aber höchst wirksam mit sculpiertem Rankenspiel aus 
Eggenburger Sandstein ausgefüllt, über dessen Gesimsen sich Arcaden 
in regelrechter Stellung erheben. An den Wänden des ersten Absatzes 
der Kaiserstiege stehen in Nischen grosse, reich omamentierte Vasen. 
Beide Treppen vereinigen sich auf dem Gange vor den Kaiserzimmern 
zu einem zweiten Balkon, der über den unteren kreisförmig zurück- 
tritt und den Überblick über denselben und die Vorgänge auf dem 
Hofe gestattet. Über beiden Altanen schwebt an der Decke inmitten 
weit ausgesponnener Stuckornamente ein sehr grosses Gemälde, die 
Segnungen der Religion auf allen Gebieten der Cultur und ihren 
Triumph über die finsteren Mächte der I-Ieidenwelt darstellend. In 
den kleinen kuppelförmigen Vertiefungen des Plafonds um das grosse 
Bild herum sehen wir feine enkaustische Darstellungen christlicher 
Tugenden und Lebenslose. Sowohl das grosse Mittelfeld als die 
einzelnen figuralen Darstellungen im Umkreise und auf den 
Gewölbefeldem der unteren Treppe sind vom Maler Franz Karl 
Remp aus Steiermark, später Hofmaler in Wien, der im Jahre 1711 
in St. Florian thätig auftritt. Die Bilder der Doppeltreppe datieren 
vom Jahre 1713. Sie zeigen von einem tüchtigen Talent, aber 
die Einflüsse des nordischen Klimas sind seinen Gebilden im 
offenen Stiegenhause verderblich. Das grosse Mittelfeld hat stark 
nachgedunkelt, die zarten enkaustischen Malereien rollen sich 
auf und bekommen ein krauses Aussehen. Die Stuccaturen, 
welche den grossen Raum um das Mittelfeld mit ihren Allegorien und 
Pflanzenzierat einnehmen, sind von Castelli, einem Gehilfen Mademis. 
Das ganze Treppenhaus ist und bleibt, man mag es von oben oder 
vom Hofe unten beschauen, ein Bau voll Klarheit, voll lichter Schön- 
heit, von unendlichem Reiz. Lebhaft erinnert man sich dabei an die
	        
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