Geheimnis aller Kunstschöpfung, das Princip des harmonischen
Wechselspieles durchgeführt und dem bereits von uns beschriebenen
Doppelbalkon einen zweiten gegen den Klosterhof geöffneten entgegen-
gesetzt hat. Die beiden von uns soeben besprochenen Treppen münden
nämlich in den breiten Prälatengang und führen nach wenigen Schritten
auf die Rampe vor dem Aufstieg zum Kaiserstock. Eine hohe offene
Bogenstellung auf gekuppelten römischen Säulenpaaren sammt
Balustrade gegen den Hof, rechts und links die zwei prächtigen Gitter-
thore vor den Treppen zum Kaiserstock, machen diese Rampe zu
einer majestätischen Loggia, wie geschaffen für eine fürstliche
Persönlichkeit, der Schaulustigen Menge sich zu zeigen, Volksspielen
beizuwohnen oder eine musikalische Huldigung entgegenzunehmen.
' Die Treppenwangen des Kaisertractes hat Prandauer gleichfalls
durchbrochen, aber höchst wirksam mit sculpiertem Rankenspiel aus
Eggenburger Sandstein ausgefüllt, über dessen Gesimsen sich Arcaden
in regelrechter Stellung erheben. An den Wänden des ersten Absatzes
der Kaiserstiege stehen in Nischen grosse, reich omamentierte Vasen.
Beide Treppen vereinigen sich auf dem Gange vor den Kaiserzimmern
zu einem zweiten Balkon, der über den unteren kreisförmig zurück-
tritt und den Überblick über denselben und die Vorgänge auf dem
Hofe gestattet. Über beiden Altanen schwebt an der Decke inmitten
weit ausgesponnener Stuckornamente ein sehr grosses Gemälde, die
Segnungen der Religion auf allen Gebieten der Cultur und ihren
Triumph über die finsteren Mächte der I-Ieidenwelt darstellend. In
den kleinen kuppelförmigen Vertiefungen des Plafonds um das grosse
Bild herum sehen wir feine enkaustische Darstellungen christlicher
Tugenden und Lebenslose. Sowohl das grosse Mittelfeld als die
einzelnen figuralen Darstellungen im Umkreise und auf den
Gewölbefeldem der unteren Treppe sind vom Maler Franz Karl
Remp aus Steiermark, später Hofmaler in Wien, der im Jahre 1711
in St. Florian thätig auftritt. Die Bilder der Doppeltreppe datieren
vom Jahre 1713. Sie zeigen von einem tüchtigen Talent, aber
die Einflüsse des nordischen Klimas sind seinen Gebilden im
offenen Stiegenhause verderblich. Das grosse Mittelfeld hat stark
nachgedunkelt, die zarten enkaustischen Malereien rollen sich
auf und bekommen ein krauses Aussehen. Die Stuccaturen,
welche den grossen Raum um das Mittelfeld mit ihren Allegorien und
Pflanzenzierat einnehmen, sind von Castelli, einem Gehilfen Mademis.
Das ganze Treppenhaus ist und bleibt, man mag es von oben oder
vom Hofe unten beschauen, ein Bau voll Klarheit, voll lichter Schön-
heit, von unendlichem Reiz. Lebhaft erinnert man sich dabei an die