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DAS STIFT ST. FLORIAN (I.) Sie VON
ALBIN CZERNY 50
AS kleine Oberösterreich birgt in seinem
Schosse einen Schatz des edleren Barock-
stils, um welchen nach dem Ausspruche
der bewährtesten Fachmänner grosse
Länder es beneiden dürften - das Chor-
herrenstift St. Florian bei Enns. Auf dem
südlichen Abhange eines kleinen Berges
mit der Kirche und der gewaltigen Wucht
des Stiftsgebäudes hingelagert, sieht es
zu seinen Füssen den schmucken Markt
und im weiteren Umkreise eine park-
ähnliche Landschaft von grossen grünen Wiesen und heiteren Baum-
gruppen, überragt von sanft ansteigenden Hügeln. Gegen Osten
öffnet sich das Donauthal; es erscheint in der Ebene das tausend-
jährige Enns und daneben auf classischem römischen Boden Dorf und
Kirche von Lorch, dem alten Lauriacum, mit dem St. Florian durch
eine selbst durch die neuesten kritischen Versuche nicht erschütterten
Legende innig verbunden ist.
In diesem anmuthigen Erdenwinkel spielen sich dieselben Vor-
gänge ab, wie wir sie in unserem Österreich nach dem schweren
Ringen im dreissigjährigen Kriege so zahlreich antreffen. In der zweiten
Hälfte des XVII. Jahrhunderts tritt nach einer anfänglichen Pause ein
gewaltiges Aufflackem künstlerischen Strebens ein. Zuerst erscheinen
die Italiener auf dem Plane als Lehrer und Führer; aber bald erstehen
aus den Zuhörern in Österreich Männer, welche die südlichen Kunst-
ideen als treibende Kraft in sich aufnehmen und congenial weiter fort-
bilden. Wir werden das bei unserem Gange durch das Haus des
heiligen Florian, wie man es im Mittelalter nannte, im Einzelnen zu
erweisen haben.
Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass die günstigere materielle
Lage, das Beispiel kunstsinniger Fürsten, die Ruhmesthaten eines
Karl von Lothringen, Ludwig von Baden, des herrlichen Eugen von
Savoyen einen gewaltigen Aufschwung patriotischen Empfindens mit
sich brachten; aber es ist auch anzuerkennen, dass die Kirchenfürsten
den grossen Gedanken damaliger Zeit bereitwillig entgegenkamen und
durch zahllose Bauten und Kunstwerke die grossen Erinnerungen
festhielten und veredelten. S0 hatte das Stift St. Florian an den Prälaten
David Furmann (anno 1667-1689), Matthäus v. Weissenberg (1689