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Volltext: Monatszeitschrift II (1899 / Heft 2)

Esthetique" und der Pariser „Societe des artistes independants", wo er seit 1890 
ausstellt. Er ist jetzt das Haupt einer malerischen Secte, die sich Neo-Impres- 
sionisten nennt und gegen die Bezeichnung als „Pointillisten" Verwahrung einlegt. 
Trotzdem sind sie wirkliche Pointillisten, denn wenn sie ihre Punktirmanier 
aufgäben, könnten sie ihre specitischen Wirkungen nicht mehr erreichen. Allerdings 
haben sie sich überdies auch eine tadellose Umrisszeichnung angeeignet und 
nützen alle Erfahrungen der Freilichtmalcrei. Hauptsache ist und bleibt aber doch 
das Punktemalen, das tüpfelweise Zersetzen jeder Mischfarbe in ihre optischen 
Componenten und das Hinpunktiren dieser Elementarfarben, die dann in der 
richtigen Entfernung sich auf der Netzhaut mischen. Georges Seurat war es, der 
1886 in Paris zuerst dieses Princip der „decomposition pigmentaire du ton" 
verkündete und in seinem Bilde: „Un dimanche a la grande Jatte" die „prismatische 
Auflösung" der Farbe vorführte. Näheres über das Verfahren findet der Leser im 
vorjährigen „Pan" (Band IV), aus der Feder des Malers Paul Signac, der auch 
einschlägige Aussprüche aus Delacroix' Tagebüchern anführt. Diesem grossen 
Künstler drängte sich die Beobachtung der Punktwirkungen schon bei Raffael 
und Correggio auf. Unsere Zeit, die überhaupt in Alles die Luft eindringen lässt, 
also auch in die Farbenkrusten, hat in sehr mannigfaltiger Weise pointillirt. Sie 
brauchte dazu nicht gerade Punkte, es konnten auch Strichelchen in den Cornpo- 
nentenfarben sein, wie bei Segantini und Henri Martin. Der javanische Holländer 
Jan Toorop hat das Punktsystem eine Zeitlang ins Absolute getrieben. Van 
Rysselberghe ist jedenfalls ein Meister ersten Ranges. Sein Hauptbild ist„L'heure 
embrasee", hier „Abendglühen" genannt. Eine grosse, herrliche Badescene 
am Meere. Zwölf junge Mädchen, alle in der Purpurglut des Abends, und dazu 
das silberig kühle Hellblau der Meerflut, deren millionenfaches Wellengeiiimmer 
durch die Punktirmanier bis zur Augentäuschung wahr wird. Auch zwei grosse 
Aötstudien in Pastell zu diesem Bilde sind da; sie zeigen, wie gewissenhah: der 
Künstler sein Nacktes studiert. Dann sind einige Bildnisse erster Stärke zu sehen, 
darunter das des Kunstschriftstellers Emile Verhaeren, wo aus grünen, rothen und 
gelben Punkten ein fabelhaftes Stubengrau mit Lampenlicht entsteht, und das 
Bild Paul Signacs, der im Segelboot sitzend als berlinerblauer Seemann köstlich 
dargestellt ist. Es ist in der That ein Flimmer von innerem Farbenleben in diesen 
Bildern, der wie ein malerisches Special-Phänomen wirkt. Auch die Landschaften 
lassen das erkennen, besonders die in Öl. Das Meiste davon wurde verkauft. 
Neben den köstlichen Farbenradirungen Raifaellis und den virtuosen Diablerien 
Rops' haben noch drei Aquarelle (!) Eugene Grassets besonders angesprochen, 
darunter eine blauiiimmernde Seine, mit dem Trocadero im Hintergründe, der 
seine Thürrne in einen hellgelben Abendhimmel mit grauem Wolkengethürm 
hineinstreckt. Man hat erst den Eindruck einer Lithographie in drei Tönen und 
ist dann überrascht, auf unabsehbare Aquarellfeinheiten zu stossen. Von Walter 
Crane ist unter anderem der grosse Friesentwurf zu Longfellows Ballade: „The 
skeleton in armour" da, ein sehr mannigfaltiges Bildband mit Wikingerscenen. 
Dagegen ist seine grosse Allegorie: „Vision der Britannia" eine für uns zu 
schwerfällige Malerei. Zu den erfolgreichsten Gegenständen der Ausstellung 
gehört übrigens die jetzt vollendete Einrichtung des Secretariats. Natürlich im 
„secessionistischen Stil". Natürlich von Josef Hoffmann, der ein so merkwürdiges 
Geräthtalent besitzt. Das Wiener Möbel spürt schon jetzt seine Klaue; es wird 
ihm einst viel zu verdanken haben.
	        
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