Der ganze erste Stock des Künstlerhauses ist bunt davon, man zählt über
500 Nummern. Der Anstrich ist so modern als möglich, bis zur Ausstattung des
Katalogs herab. Auf den ersten Blick hat man fast den Eindruck, als gäbe es jetzt
zwei Secessionen in Wien. Dem Modernen ist eben nicht zu widerstehen und es
bleibt nur zu wünschen, dass die Talente nicht hinter der Absicht zurückstehen
mögen. Das Ausland ist stark vertreten. Das Auffallendste ist ein Gesammtgast-
spiel der Londoner Royal Institute of Painters in Water Colours, über 8c
Nummern stark. Es sind sehr gute Sachen darunter, von hier schon bekannten
Namen, wie R. B. Nisbet, John R. Reid, J. Austen Brown (Heilige Genovefa mit
ihren Schafen in der Dämmerung, die ihr Heiligenschein durchleuchtet) und
Dudley Hardy. Die reine Aquarelltechnik, mit ausgesparten Lichtern, ohne
Höhung durch Gouachefarben scheint als obligat zu gelten. Ein Blick über den
ganzen Saal hin zeigt aber denn doch, dass wenig Persönliches vorkommt. Es ist,
als sähe man überall die nämliche Farbe und Manier, ja die nämlichen Motive und
Anschauungsweisen. Es ist viel Convention und Veraltung dabei; der frische Zug
ist denn doch auch dort bei der Secession zu suchen. Sehr erfreulich ist der
mannigfaltige Stoff aus Deutschland, meist in graphischen Techniken und
Zeichnungen. Die Worpsweder Jungen thun sich hervor, der sinnige Hermann
Vogeler und der heroische Hans am Ende gefallen hier sogar sehr. Dann regen
sich die Karlsruher vielseitig und fruchtbar; sogar Kallmorgen spürt davon einen
Johannistrieb, der augenscheinlich seinem bevorstehenden Bilderwerke von
einer Nordlandfahrt zugute kommen wird. Der scharfe Holzschneider Wilhelm
Laage fällt unter ihnen diesmal besonders auf, er scheint ein Josef Sattler werden
zu sollen. Sattler selbst und Storm van's Gravesande zeigen sich von ihren
bekannten guten Seiten. Unter den deutschen Aquarellen heben wir die luftige
Silhouette der Dresdener Augustusbrücke von Hans Herrmann und die blassen
Blätter des Deutschamerikaners R. Meyerheim hervor. Zwei Säle sind mit den
Originalbildern zu der Münchener „Jugend" angefüllt, allerdings eine Galerie der
Lustigkeit und der fertigen Hand, wie sie vor zehn Jahren nicht denkbar war.
Unter den Wiener Aquarellisten und Pastellisten ist ziemlich Alles beim Alten.
Es sind die bekannten Namen und Manieren. Manche behaupten sich und streben
sogar nach Erneuerung; so Eduard Zetsche, A. D. Goltz, Franz Russ, H. Darnaut;
Andere sind stecken geblieben, leider auch Fröschl, dessen Pastellporträts nach-
gerade nicht mehr mitzählen. Othmar Brioschi bringt eine Reihe sorgfältiger
Bleistiftzeichnungen aus der Villa d'Este in Tivoli, Eigenthum des Erzberzogs
Franz Ferdinand. Fortschritte macht Gustav Bamberger, dessen „altes Städtchen"
prächtig in der Abendsonne glüht und der jetzt auch lithographirt. Dann Heinrich
Tomec, Rudolf Konopa (wieder eine kühle Marchlandschaft), Ferdinand Kruis,
der Heissige Viennensiamaler J. N. Geller. Neue Namen sind Moriz Koschell,
dessen Ronachereleganz ihn dem Plakat zuzuweisen scheint, und Raimund
Germela. Der Architekt Freiherr von Krauss ist zur Abwechslung unter die Buch-
schmücker gegangen und hat eine flotte Feder dazu. Zur Belebung der Säle trägt
übrigens das moderne Kunstgewerbe viel bei. Die k. sächsische Hofkunsthandlung
Ernst Arnold (Gutbier) in Dresden hat eine Menge hübscher Keramik von Fix-
Masseau, Bigot, Massier, l-leider geliefert, dazu Zinn und Bronzen von Barrias,
Dubois, Ledru, Lelievre, Gebrauchsgläser (!) von Köpping, Ziergläser von