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Volltext: Monatszeitschrift III (1900 / Heft 1)

 
AUS DEM WIENER KUNSTLEBEN SV VON 
LUDWIG HEVESI-WIEN S0 
EF LAMBEAÜX. Das Künstlerhaus hatte in den letzten Wochen einen Magnet 
von ungewöhnlicher Anziehungskraft: das Colossalrelief „Die menschlichen Leiden- 
schaften" von dem belgischen Bildhauer Jef Lambeaux. Der Künstler ist 1852 in 
Antwerpen geboren, Schüler von Geefs und dann in Paris hart kämpfend weitergediehen. 
Nach zahlreichen kleineren Werken und dem Brabo-Brunnen vor dem Rathhause seiner 
Vaterstadt schuf er in zehnjähriger Arbeit diese „Passions humaines", auch „Calvaire de 
Yhumanite" genannt. Die belgische Regierung liess das Relief in Marmor ausführen und 
dafür durch Victor Horta, den grossen modernen Architekten, eine eigene modern- 
griechische Tempelhalle im Brüsseler Parc du cinquantenaire erbauen. Das ungewöhn- 
liche Werk, zwölf Meter breit und sieben Meter hoch, mit ganzen Schaaren zum Theil 
iiberlebensgrosser Figuren, ist vor allem ein Denkmal des künstlerischen Idealismus, der 
gerade in der mörderischen Reibung mit unserer bourgeoisen Interessenzeit einen so 
herrlichen Aufschwung genommen hat. Im Aufruhr gegen die Nüchternheit einer inter- 
nationalen Akademik entbanden sich neue Talente, ja Genies. Ohne Auftrag von irgend- 
wem, stürzte sich ihre Schaffenskraft auf das Grosse, das Ungeheure. Ein Bartholome 
schuf aus ergreifendem Erlebnis heraus sein „Aux Morts" auf dem Pere Lachaise, ein 
Rodin sprudelte den Drang seiner michelangelesken Persönlichkeit in einer „Porte de 
Yenfer" aus, ein Meunier träumte in Thon und Erz sein Denkmal der Arbeit, ein Van der 
Stappen sein Denkmal der Gerechtigkeit. Denn in der ganzen Welt hat der Künstler die 
Kunst in die Hand genommen und die intelligenten Regierungen sind die Executive des 
künstlerischen Gedankens. Der Erfolg ist überaus erfreulich. Es ist wieder grosse Kunst 
geschaffen, Kunst des natio- 
nalen und persönlichen 
Vollbluts. Ein Blick auf 
Lambeaux' Relief (dessen 
Gipsabguss in Wien eine 
Weltreise beginnt) erfüllt 
den Beschauer von vorn- 
herein mit der unabweisli- 
chen Suggestion desEchten. 
Es ist, als sei ein neuer 
Rubens gekommen, ein 
grosser plastischer Peter 
Paul, der das üppige, stro- 
tzende, vlämische National- 
fleisch mit neuen gewal- 
tigen Händen knetet. Dieses 
Fleisch, welches der uner- 
schöpfliche Rohstoff der 
belgischen Künstler ist, der 
ererbte natürliche Formen- 
schatz der belgischen Bild- 
ner; ein Meunier nimmt 
sich davon die Knochen 
und Sehnen, ein Lambeaux 
das Fleisch und Fett, die 
grossen Coloristen der Race 
Rudolf Hammel, Theekessel, in Kupfer ausgeführt von i. Nawratil das „Milch und Blut" der
	        
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