DIE WINTERAUSSTELLUNG IM ÖSTER-
REICHISCHEN MUSEUM S0 VON LUDWIG
HEVESI-WIEN 50
IE dritte Winterausstellung, seit Beginn der moder-
nen Zeitrechnung im Museum, hat mit ihren
860 Nummern einen sehr bedeutenden Ein-
druck gemacht. Immer deutlicher und breiter
wird der Weg ins Neue, den die Anstalt geht.
Und immer erfreulicher, seitdem ein kleiner
Stab von Künstlern in junger Schaffenslust die
„Knaben lehrt", im Leben etwas mehr zu
finden, als was vor einem Menschenalter darin,
oder vielmehr in den Büchern, war. Vor zwei
Jahren war die Ausstellung der Anfang jenes
Anfanges, der eigentlich erst voriges Jahr gemacht wurde. Vor zwei Jahren
that man aus dem Stegreife, was sich thun liess. Man zeigte den Wienern,
was das Ausland leistet, England insbesondere, das auch im Neuen schon
eine Überlieferung hat. Man stellte die Typen hin, in allerlei Varianten, und
liess sie nachbilden, auch von kleinen Gewerbsleuten, um zu erweisen, dass
die Sache mit keinerlei Wundern zugeht und selbst der kleine Wiener mit
etwas Kopf und Hand (und etwas Vorschuss!) dem grossen Engländer
nachkommen kann. Sogar ein ganzes Zimmer, wie es
noch in keinem Buche stand, wurde frischweg gewagt
und gewann das Publicum.
Die Gegnerschaft versäumte natürlich nicht, die
Anklage zu erheben, man wolle Wien, mit Hilfe eines
kunstgewerblichen Wörterbuches, ins Englische über-
setzen. Schon die zweite Winterausstellung bewies, dass
bei diesem Geschrei wenig Wolle war. Die Ausstellung
fiel österreichischer aus, als irgend eine in der früheren
Periode, wo doch die verschiedenen Renaissancen des
Auslandes massgebend gewesen und ein wienerischer
Einfall als stillos überhaupt nicht zulässig War. Mehrere
neue Kräfte überstanden ihre Debuts mit Glück: Entwürfe
auf eigene Faust fanden Beifall; in Glas, Bronze und
Holz rührten sich etliche specifische Temperamente;
in die Zimmerausstattung zog ein gewisser Geist, der
nicht erst bei einem altgeschulten Tapezierer Lehrjunge
und Geselle gewesen war. In der That, das soge-
nannte „Interieur" verlor mit einem Schlage seinen alther-
kömmlichen Charakter als Massenquartier, nämlich als
_ , , . _ Vase, Fayenee, aus der
jenes Quartier, in dem die Masse, auch die wohlhabende, k,k_F3ch5c1-Au1gjn Tepm,
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