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Volltext: Monatszeitschrift III (1900 / Heft 1)

tadelnswerten, möglichst typischen Beispiele gerade der Neuzeit zu entnehmen, beim 
Unterrichte aber die Gründe des Tadels darzulegen. 
Da ein Anschauungswerk, das diesen Anforderungen entspräche, nicht aufzufinden 
war, so wurde der Director der Industrieschule zu Planen i. V., Hofrath Prof. I-Iofmann, 
beauftragt, ein solches Werk herzustellen. Es liegt jetzt in 46 Tafeln von r 10 cm Höhe und 
93 cm Breite vor. Das königlich sächsische Ministerium des Innern hat die Hälfte der 
Herstellungskosten übernommen. Ein schwarzes Blatt stellt sich auf i M., ein farbiges und 
aufgezogenes auf rgo M. Die Tafeln geben charakteristische Beispiele der geschichtlichen 
Stilarten, Beispiele für den Zusammenhang zwischen Naturformen und Kunstformen, 
Beispiele richtiger und falscher Perspective, Beispiele zur Farbenlehre (bestehend in 
zahlreichen einzelnen Farbentafeln, die beliebig zusammengestelllt werden können), 
Gegenüberstellungen edler und charakteristisch geschmackloser Gefässformen, geschmack- 
loserWebereimuster und einer Verbesserung derselben Muster, eines guten und eines 
entarteten persischen Teppichmusters, guter und fehlerhafter Ornamentformen der 
italienischen Renaissance, guten und entarteten Rococos. 
Vor kurzem berief nun das Ministerium eine Anzahl sächsischer Handels- und 
Fachschuldirectoren und sonstiger Sachverständiger zur Besichtigung der Tafeln und 
zur Besprechung des ganzen Planes zusammen. Von allen Seiten wurde anerkannt, 
dass der geplante Unterricht ungemein wichtig sei und möglichst bald überall eingerichtet 
werden sollte. Der Kaufmann habe die Aufgabe, auch die Erzeugnisse der Kunstindustrie 
und des Kunstgewerbes in die Weite zu tragen, die riesige Entwicklung des Welthandels 
erfordere, dass der Kaufmann ebenso wie der Fabrikant Stilkenntnis und Geschmack 
besitze. Im allgemeinen Wettbewerb auf dem ganzen Erdenrunde könne sich nur derjenige 
halten, der den anderen in jeder Hinsicht voran sei. Gerade jetzt aber, da sich ein 
wirklich moderner Sül entwickelt, kommen Geschmacksfragen ganz besonders in Frage. 
Es hat darum keineswegs einen bloss idealen, sondern auch einen hervorragend prak- 
tischen Wert, dass die Schüler der Handels- und Fachschulen mit Stil- und Geschmacks- 
fragen vertraut gemacht werden, dass überhaupt künstlerische Bildung mit allen Mitteln ins 
Volk gebracht werde. 
Für den Unterricht hat Prof. Hofmann einen Text verfasst, der sich an die Wand- 
tafeln anschliesst und Verweise auf Falkes Ästhetik des Kunstgewerbes und andere 
Bücher enthält, die der Lehrer nachschlagen kann (denn man darf sich nicht verhehlen, 
dass es an geschulten Lehrkräften für den gedachten Zweck fehlt); Hofmann denkt sich 
ferner, dass der Schüler einzelne von Seemanns kunsthistorischen Bilderbogen nebenbei 
benützt. Wir möchten dazu noch bemerken, dass man doch endlich auch daran gehen 
möge, dem Schulzimmer einen farbig geschmackvollen Anstrich zu geben, die Wände 
aber mit Nachbildungen bedeutender Kunstwerke auszuschmücken und so der stillen 
Wirkung der Kunstwerke, die nicht ausbleibt, etwas von der nöthigen Geschmacksbildung 
anzuvertrauen. Ferner aber müssten die Kunstgewerbe-Museen und Kupferstichcabinette 
durch planmässiges Verleihen ihrer so zahlreichen Anschauungsmittel an die Schulen 
herangezogen werden. Ein solches planmässiges Zusammenarbeiten von Museen, Samm- 
lungen und Schulen ist überhaupt noch zu vermissen, könnte aber für die künstlerische 
Bildung des Volkes zum grössten Segen werden. Jedenfalls ist der Plan des königlich 
sächsischen Ministeriums, der nun wohl bald in die That umgesetzt wird, aufs freudigste 
zu begrüssen. Paul Schumann 
. 
BERSICHTS-KARCQE DER GEWERBLICHEN UNTERRICHTS- 
ANSTALTEN IN ÖSTERREICH. Im Auftrage des k. k. Ministeriums für 
Cultus und Unterricht wurde ein graphischer Behelf geschaffen, durch den in 
bequemste: Weise eine Übersicht sämmtlicher gewerblicher Lehranstalten nach dem 
Stande des Jahres 1899 ermöglicht wird. Sectionsrath Dr. Adolf Müller und Dr. Karl
	        
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