MAK
Internationale 
Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde. 
Herausgeber: Norbert Ehrlich. 
10. Jahrgang. Wien, 1. Februar 1918. 
Nr. 3. 
Die Vorläufer der Altertumssammlungen bis zum Schlüsse des 
Mittelalters. 
Von Hans Lehmann (Zürich).* 
Die Lust zum Sammeln ist ein nicht nur dem 
Menschen, sondern auch manchen Tieren innewoh 
nender, angeborener Trieb. Da der Besitz vermehrten 
Gutes, sei es geistiger oder materieller Art, dem In 
haber ein höheres Ansehen unter seinen Genossen 
verleiht, führte der Wunsch danach, das eine Mal den 
Menschen zu gesteigerter Betätigung seiner Geistes 
kräfte oder Handfertigkeiten, das andere Mal zur 
Anhäufung von wertvollem Material. Oft dient das erste 
Bestreben dem zweiten. Der wertvollste materielle 
Besitz bestand aber in früheren Zeiten vor allem in 
kunstreich verarbeitetem, kostbarem Material. Infolge 
dessen sind Schmuck und Geld auf einer primitiven 
Kulturstufe engverwandte Werte. Dieses Bestreben 
nach einem Besitz, den sich nicht jedermann an 
eignen konnte, und der dem Inhaber ein vermehrtes 
Ansehen brachte, führte zur Anlage von Schatz 
kammern, die zunächst nur die Schaulust ihrer Besitzer 
und begünstigter Gäste zu befriedigen hatten. Und 
doch kristallisierte sich aus dieser Tätigkeit heraus 
das Museumswesen, d. h. d.as Sammeln eines wert 
vollen privaten oder öffentlichen Besitzes zu allge 
meinen Zwecken. Daß man aber schon im Altertum 
den Besitz materieller Güter in großer Zahl und kunst 
reichster Bearbeitung nicht als das höchste Glück pries, 
beweisen Erzählungen, wie die vom Lyderkönig Krösus 
und dem weisen Griechen Solon, und daß geistige Güter 
von manchen höher geschätzt wurden als materielle, 
Aussprüche wie die, daß der gelehrte Mann seine un- 
entfremdbaren Reichtümer in sich berge. 
Wenn sich die Resultate der Forschungen, die 
Dr. Clarence S. Fisher im Aufträge der Universität 
Pennsylvania im Palaste des Menephtha in den Ruinen 
des alten Memphis anstellte, als richtig erweisen, dann 
wäre schon dieser Fürst im 13. Jahrhundert v. Chr. 
ein Sammler gewesen, und sogar ein solcher zu wissen 
schaftlichen Zwecken. Denn in einem der Räume soll 
man in großer Zahl Steingeräte, Messer, Sicheln, 
Pfeilspitzen sowie Töpfe und Pfannen gefunden haben, 
welche den Ureinwohnern Ägyptens angchört haben 
müssen. Fisher will darin das älteste Museum er- 
*) Antrittsvorlesung 1917. 
blicken. Doch dürfen wir nicht vergessen, daß der 
artige Objekte auch aus religiösen Motiven und zu 
Kultuszwecken gesammelt und aufbewahrt, wurden, 
fand man doch 1905 beim Abbruch eines alten Hauses 
in Bremgarten ein ungewöhnlich großes Steinbeil, 
das nicht ohne bestimmte Absicht eingemauert worden 
sein konnte. Es befindet sich zurzeit im Besitze des 
Schweizerischen Landesmuseums. 
Der Schatzhäuser, wie sie uns in den Geschichts 
werken über die Reiche der Inkas und Azteken und in 
den Schöpfungen einer glühenden Phantasie, wie in 
den orientalischen Märchen, geschildert werden, soll 
nur beiläufig gedacht werden, ebenso wie der vermeint 
lichen oder homerischen Helden und der Tempelschätze 
der Griechen. Letztere, die schon eine Art von Gemein 
gut waren, bargen nicht nur Kostbarkeiten, sondern 
auch Gebeine und Reliquien von Heroen, vermutlich 
im kunstvollen Behältern, sowie geschichtliche und 
volkstümliche Erinnerungen verschiedenster Art, wie 
Beutestücke, Naturmerkwürdigkeiten, . Knochen ur- 
weltlicher Geschöpfe, Straußeneier, Kokosnüsse und 
ethnographische Kuriositäten. Im Schatten der Pro 
tektion der Könige von Pergamon und der Ptolomäer 
entstanden sogar große Kunstsammlungen und 
Gemäldegalerien auch aus historischen Interessen, 
aber nur als Teile der sogenannten Museen. So wurden 
wissenschaftliche Institute genannt, während heute 
das Wort fast ausschließlich größere Sammlungen 
bezeichnet. 
Aber auch der öffentliche Besitz außerhalb der 
Tempelmauern mehrte sich stetig, so daß wir uns von 
der Menge der Kunstwerke, welche z. B. die Markt 
plätze und Hallen im alten Rom zierten, heute kaum 
mehr eine richtige Vorstellung zu machen vermögen. 
Und doch wurde er noch überboten durch den Reich 
tum, den Konstantin der Große zum Teil allerdings 
auf Kosten anderer Städte, in seiner Residenz an 
häufte, sollen doch allein zum Schmucke der Sophien 
kirche 400 Statuen beigetragen haben. Auch im alten 
Rom wurde der Inhalt der Tempelschätze bereichert 
durch die aus fernen Ländern herbeigeführten exoti 
schen Erzeugnisse seltener Art sowie durch einheimische,
	        
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