steller ist umso unbegreiflicher, als sowohl Clement, dem Biographen
Prudhons, als Paul Mantz die noch erhaltenen Originalentwürfe Prudhons
bekannt waren, sie glaubten die Incongruenz auf nachträgliche Veränderungen
zurückführen zu können.
Wann und wie die Wiege des
Herzogs von Reichstadt in die
kaiserliche Schatzkammer gekom-
men ist, lässt sich aus deren Acten
schonheute nichtmehr genau nach-
weisen. Am 4. April 1826 wird für
die Schatzkammer nebst zwei Na-
poleon-Reliquien (Schreibzeug der
100 Tage und Trinkglas) „ein gol-
denes Krönchen von der Wiege
des Königs von Rom" aus einer . V
Verlassenschaft angekauft Am Salzfass von Jean Baptiste Claude Odiot
8. October 1833 übergibt Maria
Louise einenKinderwageü des Herzogs von Reichstadt „als passendes Seiten-
stück zur bereits vorhandenen Wiege des hohen Verblichenen" der kaiserlichen
Schatzkammer. I-Iiemit ist die Authenticität der Wiege des Herzogs von
Reichstadt in der kaiserlichen Schatzkammer über jeden Zweifel gestellt.
Überdies tragen die zwei Fussspreizen der Wiege in mehr als zollgrossen
Buchstaben die Bezeichnung „Odiot et Thomire" und „Thomire et Odiot".
Wie schon erwähnt, hat P. P. Thomire, der erste Giesser und Ciseleur
des Kaiserreichs, an der Wiege mitgearbeitet; wenn aber Paul Mantz ihm die
zwei getriebenen Silberreliefs zuweist, so befindet er sich im Irrthum, die
sind sicher Odiots Arbeiten. Thomire dürfte die allegorischen Figuren der
Gerechtigkeit (nicht Weisheit), der Stärke, die Victoria und den massiven
Adler gegossen und ciselirt haben.
Diese beiden Reliefs aber für die Wiege des Herzogs von Bordeaux zu
verwenden, wie es thatsächlich geschehen ist, ist der Gipfelpunkt der
Gedankenlosigkeit. Das eine stellt den Flussgott Tiber vor, im Hintergrunde
säugt die Wölfin Romulus und Remus, eine passende Darstellung für die
Wiege eines Prinzen, der von Geburt an den Titel eines Königs von Rom
Führen sollte, das zweite Relief hat mit der Geschichte des Romulus (wie
irrthümlich der Schatzkammer-Katalog bemerkt) nichts zu schaffen. Mercur,
als Götterbote übergibt der Flussgöttin Seine den neugeborenen König von
Rom, zu Füssen der Seine das damals funkelnagelneue Wappen der Stadt
Paris mit den napoleonischen Bienen im Schildeshaupte und dem thronenden
Napoleon auf dem Schiffsschnabel. Durch dieses Relief ist gewisserrnassen der
Act der Schenkung versinnlicht. Dagegen scheint auch die Wiege des Herzogs
i Dieser Kinderwagen des Herzogs von Reichstadt, eine Arbeit des Pariser Goldsehmiedes Tremblay,
der sich viermal als Verfertiger nennt. befindet sich heute in der Verwahrung des Marstalls und ging eben-
falls zur Ausstellung nach Paris.