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Volltext: Monatszeitschrift II (1899 / Heft 12)

aparten Töne, die zum Theil erst im Wege des Experiments gefunden 
wurden. Olbrich weiss auch stets die technischen Verfahren nach dem 
Bedarf des Augenblicks zu erfinden. Bald lässt er die zarte Farbe mit 
einem Badeschwamm tupfend auftragen, was ihr besondere Luftigkeit 
verleiht, bald schneidet er in Patronen Schlangenlinien, legt sie auf 
eine mattgelbe Wand und bürstet fest darüber, so dass die Schlangen- 
linien aus dem matten Grunde glänzend hervortreten. Sogar die all- 
mächtige Spiegel- und Rahmenfabrik, die mit ihren unhandlichen 
Formaten und massigen Rahmen alle I-Iaushaltungen der civilisirten 
Welt tyrannisirt, hat der Künstler untergekriegt. Er nimmt lauter 
rahmenlose, bloss an den Rändern facettirte Spiegel, in der ihm be- 
liebigen Grösse und Gestalt, wie sie zu Ort und Stelle, zu Zweck und 
Eck passen, und schraubt sie hübsch an die Fläche selbst. Ähnlich 
weiss er überflüssige Bilderrahmen zu vermeiden, indem er in der 
Täfelung verschiebbare Glasplatten anbringt, hinter die man die 
neuesten Farbenstiche, Radirungen oder Caricaturen stecken und die 
man dann beliebig wechseln kann: nämlich ehe man sie auswendig 
weiss, also nicht mehr ansieht, wie unsere als lebenslänglicher Zimmer- 
schmuck dienenden Bilder in ihren auf ewig unverrückbaren Rahmen. 
So befreit uns der einrichtende Künstler von verschiedenen ererbten 
drückenden Vormundschaften. ja er zögert nicht einmal Axiomen 
gegenüber, die von Anbeginn der Zeiten geherrscht haben, z. B. 
dass ein Schlüsselloch in der Mitte des Thürrandes angebracht sein 
muss. Nein, wenn es eine untere Schrankthüre ist, bringt er das 
Schlüsselloch getrost in der oberen Ecke an, so dass die Dame sich 
nicht erst zu bücken braucht, um den Schlüssel zu fassen. Sie 
wird ihm dafür dankbar sein. Natürlich ist bei alledem der Einfall 
die Hauptsache. Aber wann hätte es Olbrich an Einfällen gefehlt? 
Man sehe etwa die Zifferblätter seiner Uhren. Im Zimmer des 
Hausherrn hängt eine, an der sind zwei symbolische Figuren gemalt. 
Oben ruht eine schöne Frauengestalt mit wallendem Haar, die Zeit, 
und dient dem Zeitmesser als Bekrönung, unten aber sieht man die 
Halbfigur eines Mannes, der mit dem Hammer ausholt, um auf die 
Zahl VIII (der Achtstundentag!) zu schlagen. In einem der Mansarden- 
zimmer wächst aus einem gemalten Rosenbuschen ein Zifferblatt 
heraus, dass statt der Ziffern zwölf im Kreise angeordnete rothe 
Rosen enthält. 
Wenn hier von Rosen und dergleichen Naturgegenständen 
gesprochen wird, ist es selbstverständlich, dass sie stilisirt sind. Nicht 
so stark stilisirt, dass nichts mehr von ihnen übrig bliebe, als der 
formale Gedanke, der ihnen zugrunde liegt, das geometrische Princip
	        
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