aparten Töne, die zum Theil erst im Wege des Experiments gefunden
wurden. Olbrich weiss auch stets die technischen Verfahren nach dem
Bedarf des Augenblicks zu erfinden. Bald lässt er die zarte Farbe mit
einem Badeschwamm tupfend auftragen, was ihr besondere Luftigkeit
verleiht, bald schneidet er in Patronen Schlangenlinien, legt sie auf
eine mattgelbe Wand und bürstet fest darüber, so dass die Schlangen-
linien aus dem matten Grunde glänzend hervortreten. Sogar die all-
mächtige Spiegel- und Rahmenfabrik, die mit ihren unhandlichen
Formaten und massigen Rahmen alle I-Iaushaltungen der civilisirten
Welt tyrannisirt, hat der Künstler untergekriegt. Er nimmt lauter
rahmenlose, bloss an den Rändern facettirte Spiegel, in der ihm be-
liebigen Grösse und Gestalt, wie sie zu Ort und Stelle, zu Zweck und
Eck passen, und schraubt sie hübsch an die Fläche selbst. Ähnlich
weiss er überflüssige Bilderrahmen zu vermeiden, indem er in der
Täfelung verschiebbare Glasplatten anbringt, hinter die man die
neuesten Farbenstiche, Radirungen oder Caricaturen stecken und die
man dann beliebig wechseln kann: nämlich ehe man sie auswendig
weiss, also nicht mehr ansieht, wie unsere als lebenslänglicher Zimmer-
schmuck dienenden Bilder in ihren auf ewig unverrückbaren Rahmen.
So befreit uns der einrichtende Künstler von verschiedenen ererbten
drückenden Vormundschaften. ja er zögert nicht einmal Axiomen
gegenüber, die von Anbeginn der Zeiten geherrscht haben, z. B.
dass ein Schlüsselloch in der Mitte des Thürrandes angebracht sein
muss. Nein, wenn es eine untere Schrankthüre ist, bringt er das
Schlüsselloch getrost in der oberen Ecke an, so dass die Dame sich
nicht erst zu bücken braucht, um den Schlüssel zu fassen. Sie
wird ihm dafür dankbar sein. Natürlich ist bei alledem der Einfall
die Hauptsache. Aber wann hätte es Olbrich an Einfällen gefehlt?
Man sehe etwa die Zifferblätter seiner Uhren. Im Zimmer des
Hausherrn hängt eine, an der sind zwei symbolische Figuren gemalt.
Oben ruht eine schöne Frauengestalt mit wallendem Haar, die Zeit,
und dient dem Zeitmesser als Bekrönung, unten aber sieht man die
Halbfigur eines Mannes, der mit dem Hammer ausholt, um auf die
Zahl VIII (der Achtstundentag!) zu schlagen. In einem der Mansarden-
zimmer wächst aus einem gemalten Rosenbuschen ein Zifferblatt
heraus, dass statt der Ziffern zwölf im Kreise angeordnete rothe
Rosen enthält.
Wenn hier von Rosen und dergleichen Naturgegenständen
gesprochen wird, ist es selbstverständlich, dass sie stilisirt sind. Nicht
so stark stilisirt, dass nichts mehr von ihnen übrig bliebe, als der
formale Gedanke, der ihnen zugrunde liegt, das geometrische Princip