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Volltext: Monatszeitschrift II (1899 / Heft 11)

mir ein Instrument geworden, auf dem ich alles spielen und aus- 
drücken kann, was mir im Herzen liegt. Und in mir tönten von je 
besonders die ruhigen Harmonien des Sonnenuntergangs, das intime 
Wesen und der Duft der Dinge." 
Das Werk Segantinis ist gross. Schon vor Jahresfrist konnte 
man zweihundert Gemälde zählen. Sein Kunstprincip war: die 
Wirklichkeit so darstellen, wie sie sich in einem edlen Menschen 
getreu spiegelt. Wenn man so das Wesentliche seiner Meinung in 
einem Satze fasst, so sieht man mit Staunen, dass sich dieses 
Princip völlig mit dem Emile Zolas deckt, der vom Kunstwerk 
verlangt, dass es „ein Stück Natur, gesehen durch ein starkes Tempe- 
rament" sei. 
Der Inhalt der Segantinischen Bilder ist das Leben der Hoch- 
alpen: die Menschen und die Thiere, die Blumen, die Sonne und die 
klare Luft. Still und rein ist alles, eine klare, innige Melodie der 
Liebe und Schönheit ertönt in jeglichem Wesen. Wenn man vor 
diesen Bildern sitzt, ersteht das Leben jener Höhen vor Einem, man 
sieht die Farben, man verspürt die kräftige, helle Luft der Regionen. 
„Ich malte die Arbeit und die Ruhe nach der Arbeit, und vor allem 
malte ich die braven Thiere mit den Augen voller Sanftmuth." Dies ist 
es auch, was den Gemälden ihre edle Stimmung gibt: Die Liebe, mit 
der Alles vom Schöpfer gesehen ist. Nichts ist da dargestellt, weil es 
„interessant" ist, oder um einer Sensation, einer Speculation auf das 
Publicum wegen - aus der rein künstlerischen, rein menschlichen 
Freude an der Schönheit ist alles geschaffen. 
Der Kreislauf des Alpenlebens wird uns gezeigt in diesen Bildern. 
Ein Kind wird geboren, hoch in einer Sennhütte irgendwo, Stunden 
entfernt von der nächsten Ansiedlung. Des Kindes Gespielen sind die 
Thiere. Mit diesen wächst es auf. Diese sind in den Alpen die ersten 
Lehrer der Kinder. Von ihnen lernen sie die Klugheit im Kampfe, 
die Vorsicht in der Gefahr. Und bald können sie selbst die Füsse 
rühren, da beginnt schon die Arbeit ihres Lebens. Sie bewachen die 
Herden, sie pflegen die Thiere. Und nach der Arbeit liegen sie müde 
da zwischen ihren Lieblingsschafen, und der Schlummer kommt über 
sie, oder sie träumen mit offenen Augen. . . oder sie blicken in den 
Himmel hinein, der so hellblau ist in der dünnen Alpenluft. Der 
Auftrieb zur Weide im Sommer, die lange Winternacht im Schafstall, 
der Tod eines Thieres - das sind die Schicksalsschläge dort oben in 
den Hochalpen. Dann hat jeder Tag sein ständiges Schicksal, wenn 
die Sonne sich erhebt oder des Abends versinkt. Dieses Schauspiel 
erneut sich täglich in wechselnder Art. So sind die Bilder, die Segantini
	        
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