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eigenen Erzählung. In dem Journale des Mailänder „Rauhen Hauses
für verlassene und der Zwangserziehung benöthigende Kinder" findet
sich nämlich die folgende Notiz: „Giovanni Segantini, geboren am
Giovanni Segaminl, Ruhe, Zeichnung
15. Jänner 1858 im Trentino, aufgenommen am g. December 1870,
entflohen am IÖ. August, wieder eingeliefert am I. September 1871,
entlassen im Jahre 1873, wurde in der Schuhmacherwerkstätte
beschäftigt."
Sicher ist ja, dass es Segantini auch acht bis neun Jahre später
noch schlecht genug gegangen ist. Sein erstes Bild ist auf einem
schon früher benützten Pergament gemalt, und als er zwei goldene
Medaillen in der Brera erwarb, musste er diese, um Brot zu
haben, für zwanzig Lire versetzen. Er hat später vergessen, sie
einzulösen, und diese Medaillen befinden sich noch im Besitze der
oben genannten Unterstützungsanstalt.
In Mailand lernt er zeichnen und die Farben wählen. An vielen
alten Meistern übt er in der Brera seine junge Kraft, und das Innere
der Kirche San Antonio gibt das Sujet zum ersten wirklichen Bilde.
Schon dieser erste Versuch führte den jüngling zu der künstlerischen
Aufgabe, die sein Leben füllen sollte. Von der klaren Luft der Alpen
war Segantini hergekommen und auf allen Bildern, die er sah, suchte
er mit Inbrunst Eines und konnte es nicht finden: die Luft, die Sonne.
Das Atelier-Dunkel, das er auf den schönsten Bildern des Quattro-
cento und des Cinquecento fand, die gelben Töne, die Sonne, deren
Strahlen keine Kraft hatten - das genügte ihm nicht. Er dachte an