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Volltext: Monatszeitschrift III (1900 / Heft 6)

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Man kann sich denken, was ein Künstler von der Vorstellungskraft eines 
Rodin aus einem solchen Programm machen konnte. Eine Menge Zeich- 
nungen, der Eingebung des Augenblickes entsprechend, rasch hingeworfen, 
manchmal aus einfachen Strichen zusammengesetzt, manchmal ganz leicht 
schattirt, wobei aber schon ein paar geringe Andeutungen durch die Wirkung 
des künstlerischen Wissens ein erstaunliches Relief erzielen; zuweilen auch im 
Clairobscur behandelte aufregende Visionen"; unzählige Studien, Statuen, 
Gruppen, Basreliefs, die bestimmt sind, allmählich ihren Platz an dem Thore 
einzunehmen, zeugen von der fruchtbaren Eingebung des Künstlers und 
zugleich von dessen stets unbefriedigter künstlerischer Gewissenhaftigkeit, 
die fest darauf besteht, ihren Gegenständen das Maximum des Ausdruckes zu 
verleihen." Man kann sich übrigens leicht vorstellen, dass das in seinen 
Theilen beständig überarbeitete und modificirte Thor- die Ugolino-Gruppe 
ist allein schon mehreremale neu geschaffen worden _ bei der Über- 
fülle der Motive bis jetzt nicht fertig gebracht werden konnte. Man kann 
übrigens das Ganze fast endgiltig fertiggestellt im Pavillon Rodin sehen. 
Sechs Meter hoch, bildet das Thor eine vorspringende, von einem 
Giebel bekrönte Umrahmung mit zwei mässig zurücktretenden Thorflügeln; 
geschmückt mit Compositionen, die durch eine höllische, aus brodelnden 
Dämpfen bestehende Atmosphäre verbunden sind. Hier vereinigen 
sich alle Ausdrucksweisen der Sculptur, das Basrelief, das Hautrelief 
und die vollrunde Plastik zu bewundernswerter decorativer Harmonie. Auf 
einem solchen Grunde entfaltet sich die grossartigste plastische Dichtung, die 
je der Darstellung der menschlichen Leidenschaft und des menschlichen 
Elends geweiht war. Unten, auf horizontalen Basreliefs, in deren Mitte sich 
unvergessliche, vom Schmerz verzerrte Masken befinden, sind Wesen aus 
der Fabelwelt: rennende, Weiber verfolgende Centauren, Faunen und 
Satyre. Oben, auf den Pfeilern und den Flügeln des Thores, ist es die 
gesammte Menschheit, die des Dante sowohl als auch die der Gegenwart, 
die emporzieht in einzelnen Gestalten und in Gruppen, die hie und da in 
Hautrelief hervortreten; es reihen und vermischen sich die zärtlich 
Liebenden, die Verbrecher aus Leidenschaft, die in Qualen vereinten Liebes- 
paare, die welken Greise, die kaum geborenen und schon durch den 
Schmerz gezeichneten Kinder, die von der Gier des Ehrgeizes Ergriffenen, 
die Sucher nach dem Ideale. . . . Und oberhalb der von dem Wirbelwinde 
des Lebens in den Strudel der Leidenschaft, der Wollust und der Pein 
emporgetriebenen Menschheit, ganz oben auf dem Thore, stehen aneinander- 
gelehnt drei Verdammte, gebeugt, gleich Verzweifelnden, wie angezogen 
von dem gähnenden Abgrund unter ihnen, der elenden, am Leben hängenden 
Menschenmenge die Worte Dantes vorhaltend: „Las'ciate ogni speranza." 
4 Von solchen Blättern wurden x42 im jzhre 1897 durch HerrnFenaille und andere Freunde des Künstlers 
zu einem kostbaren Album vereinigt. Herausgegeben durch Boussod ä Valadon: Les dessins de Auguste Rodin. 
Folio, 12g Tafeln. 
4"" Eduard Rod (Gazette des Beaux-Ans, Mai 1898) berichtete über die lGenesis, und Gustave Cveffroy, 
1. e. p. 86 u. Ei, hat eine Beschreibung der verschiedenen Theile gegeben.
	        
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